Bademoden, Kilometer fressen und ein neues Meer


  1. Tag: Mittwoch, 12. Juli 2023

Strecke: Amasra – Bolu – Istanbul – Tekirdağ (TR) – Alexandroupolis (GR) – Kryoneri

Streckenlänge: 821 km (gesamt 7.732 km)

Noch vor dem Frühstück, einmal eintauchen im Schwarzen Meer, zum Ersten Mal. Die getragene Bademode ist sehr divers, vom klassischen Bikini bis zum Ganzkörperanzug mit Guckloch, erfrischt sich alles friedlich nebeneinander.
Der letzte Abend und der heutige Morgen tragen zur Versöhnung bei – trotzdem – zu viel zerbrochenes Glas, zu viel Unruhe. Es wartet eine Mammut-Etappe, von Nordost nach Südwest, vom Schwarzen Meer ans Thrakische Meer. Das befürchte Verkehrschaos bleibt aus, wenn ein Stau, dann in die entgegengesetzte Richtung. Selbst der türkisch-griechische Grenzübertritt verläuft absolut reibungsfrei, noch dazu in Bestzeit. In einem griechischen Kaff am Meer finden sich ein Campingplatz, eine Taverne und ein ruhiger Strand. Alles sehr unspektakulär, also genau richtig!

Gegenseitiges Unverständnis, Verwüstungen und zarte Entspannung


  1. Tag: Dienstag, 11. Juli 2023

Strecke: Sinop – Kastamonu – Cide – Amasra

Streckenlänge: 371 km (gesamt 6.911 km)

Mit der Türkei will der Funke nicht überspringen. Gegenseitiges Unverständnis, kein Brocken Englisch auf der einen, kein Brocken Türkisch auf der anderen Seite. Der ersehnte Tag am Meer wird abgesagt, die Sanitärverhältnisse verunmöglichen einen Ruhetag. Müll wo das Auge hinfällt. Auf zu neuen Ufern. Durchs Landesinnere führt eine verkehrsberuhigte, endlose Staße durch die Knoblauchregion des Landes. Unzählige Stände mit Jahresvorräten dieser Gemüseknollen belagern den Wegesrand.
In Cide werden die Wunden des gestrigen Unwetters unübersehbar. Der Strand der Stadt ist übersät mit von den Flüssen ins Meer geschwemmten Baumstämmen. Es wird mit Baggern und Kettensägen an der Wiederherstellung der Sandstrandidylle gearbeitet. Die Bevölkerung versorgt sich mit Brennholzvorräten.
Zur Abwechslung gibt es ein Erfolgserlebnis, eine bergige, romantische Küstenstraße führt nach Amasra. Wie hingemalt, eingebettet auf einer Halbinsel. Diesmal bleibt das Haus im Kofferraum verstaut, ein Hotel an der Promenade bietet einen Balkon mit Meerblick und im Lokal zu seinen Füßen werden Erfrischungsgetränke serviert, die den Namen auch verdienen. Im quirligen Zentrum verwöhnen die klassischen Schmankerln der türkischen Küche. Ein Anflug von Entspannung breitet sich aus.

Das Gestell wackelt, Entwarnung und das nächste Unheil


  1. Tag: Montag, 10. Juli 2023

Strecke: Ardeşen – Giresun – Trabzon – Samsun – Gerze – Sinop

Streckenlänge: 634 km (gesamt 6.540 km)

Die Zeit der Rückreise ist gekommen. Der Held des vergangenen Tages hat die Torturen nicht unbeschadet überstanden. Ab 80 km/h wackelt das gesamte Fahrgestell. Als erste Panikreaktion wird eine Waschstation aufgesucht, Geröll und getrockneter Schlamm, eine ganze Passstraße, bröckeln vom Unterboden und aus den Radkästen. Wunder geschehen, die Räder drehen wieder im Takt. Schon bald ist das nächste Drama im Anrollen. Der Himmel verdunkelt sich und schickt alles Richtung Erde was er herzugeben hat. Das in Fontänen von den Bergen herabstürzende Wasser überschwemmt die Fahrbahnen.
In Samsun endet der Küstenhighway, die Lage entspannt sich. Rechtzeitig zum Untergang gibt es in Sinop noch ein paar Sonnenstrahlen. Das Haus steht, ein paar schnelle Bissen und ein kräftiger Schluck für die überstrapazierten Nerven.

Ein Schmuckkasterl, ein Martyrium und Schluss mit Abenteuer


  1. Tag: Sonntag, 09. Juli 2023

Strecke: Vardzia – Achalziche – Chulo – Batumi (GE) – Ardeşen (TR)

Streckenlänge: 306 km (gesamt 5.906 km)

Aufwachen Auge in Auge mit der Höhlenstadt, dazwischen verstreut sich ein Fluss. Die ortsansässigen Straßenhunde wachten die ganze Nacht über auf Haus und Fuhrwerk, als Belohnung gibt es ein üppiges Wurstpaket.
Es wartet ein Arbeitstag, der Kleine Kaukasus verspricht aufregende Aussichten und er hält sein Versprechen. Als unerwartetes Vorspiel die Bezirkshauptstadt Achalziche mit Burg und herzeigbarer Altstadt. Noch stimmt das Plansoll. Aber, der Teufel kommt auf leisen Sohlen. „Batumi 168 km“, steht geschrieben. Die Straße wird steiler, der Belag rissiger, bis er vollständig verschwindet. Jeden Kilometer kommt eine Widrigkeit dazu. Schlamm, Sturzbäche, herabgefallene Felsbrocken, Baustellen. Die Straße ist seit Jahren in Arbeit, die Situation unverändert schlecht. Immer wieder brechen bei Unwettern Teile weg. Ein erstes, allradbetriebenes, Fahrzeug bleibt im Schlamm stecken, mit vereinten Kräften wird die Spur wieder befahrbar gemacht. Für ein Umkehren ist die Zeit bereits abgelaufen. Es wird gekämpft um jeden Meter. Reifen und Unterboden werden auf’s extremste herausgefordert. Einmal hilft ein Bagger aus und ebnet notdürftig die Piste. Die Nerven liegen plank. Nach Stunden oben am Pass angekommen applaudieren die Arbeiter, ungläubige Augenpaare strecken ihre Daumen in die Lüfte – Opel Corsa Superstar! Es mischt sich Nebel ein in’s Geschehen. Bergab entspannt sich das Geschehen geringfügig. Die letzten Kilometer setzt Starkregen ein, dazu beginnt das Verkehrschaos an den Rändern von Batumi. Die Lust auf Abenteuer ist abhanden gekommen. Ein letztes ist der Grenzwechsel in die Türkei. Nach dem bereits Erlebten können die Grenzschikanen auf türkischer Seite nicht mehr erschüttern. Ein abgewohntes Zimmer in Ardeşen bringt Ruhe zu später Stunde.

Eingezwickt, eine Höhlenstadt und Kochen ohne Strom


  1. Tag: Samstag, 08. Juli 2023

Strecke: Jerewan – Gyumri (AM) – Achalkalaki (GE) – Vardzia

Streckenlänge: 262 km (gesamt 5.600 km)

Heute zeigt Armenien ein anderes, sein karges Gesicht. Das westlich liegende Armenien hat ein lange Grenze mit der Türkei, nur die Grenzbalken bleiben auf Grund anhaltender Konflikte geschlossen. Armenien ist eingezwickt, im Osten liegt Aserbaidschan und ein Landeswechsel ist, wegen des anhaltenden Bergkarabachkonflikts, ebenfalls nicht möglich. Es gibt nur zwei Auswege, im Süden einen kurzen Grenzstreifen mit dem Iran und im Norden Georgien.
Diesmal funktioniert der Grenzübertritt wie Butter auf’s Brot schmieren. Kaum zurück in Georgien kommen die Berge zurück und mit den Bergen die Gewitter. Alles schwarz am Himmel, ein heftiger Wolkenbruch führt zu einer Fahrtunterbrechung und in der Umgebung zu einem Stromausfall. Das Mobilheim steht auf einer Anhöhe gegenüber der Höhlenstadt Vardzia. In einer Steilwand des Erusheti-Gebirges erstreckt sich über mehrere Ebenen ein komplexes Tunnelsystem. Das Unwetter verzieht sich, der Energieausfall bleibt. Das Abendessen aus der Küche kommt diesmal nicht von der Herdplatte, es wird auf offenem Feuer zubereitet.

Chic, Aznavour und ein Swaneysee


  1. Tag: Freitag, 07. Juli 2023

Strecke: Jerewan

Jerewan ist eine stolze, herausfordernde Hauptstadt. Jung, dynamisch, hip, ganz anders als das folkloristisch herausgeputze Tbilissi. Eine Bar reiht sich an die nächste, unlackierte Zehennägel gibt es nicht, alles sehr chic. In der Hauptstadt sind die Ladas von der Straße verschwunden, es kreisen hauptsächlich dicke Brummer durch die Boulevards.
Das Zentrum Jerewans ist kreisrund, im Durchmesser von Süd nach Nord verläuft die Hauptschlagader: Platz der Republik. Dem französisch-armenischen Charles-Aznavour ist ein Platz gewidmet. Vor der Oper liegt der Schwanensee und seit sich der Ami-Rapper Kayne West bei einem Gratiskonzert ins Wasser gestürzt hat wurde aus dem Schwan ein Swaney(see). Am Ende der Parade wartet das Cafesijan Kunstzentrum.
Natürlich hat auch Jerewan ein Riesenrad und unter der Erde eine Metro. Auch an den Rändern, oberhalb der Endstation, verliert Jerewan nicht seine Fasson. Selbst die Plattenbauten im armenischen Arbeiter-Marmor (Lego-Ziegel-Baustil) haben ihren Stolz. Auffallend ist die Gastlichkeit, auch wenn die Zungen andere Sprachen sprechen, an erster Stelle steht das Bemühen den Gast zufrieden zu stellen. Ein traditionelles Abendessen samt Chacha verabschiedet einen autofreien Tag.

Sonnenaufgang am Berg, ein Fahrtag und erste Eindrücke


  1. Tag: Donnerstag, 06. Juli 2023

Strecke: Gergeti – Tbilissi (GE) – Dilidschan (AM) – Sewan – Jerewan

Streckenlänge: 486 km (gesamt 5.338 km)

Die Sonne versteckt sich hinter massiven Bergketten. Einzelne Strahlen streifen bereits die Hochebene, nur der Kazbek zeigt sich bereits im besten Licht. Pferde grasen, die Wachhunde schlafen noch, das Kaffeewasser kocht und die Frühtemperaturen bewegen sich im einstelligen Bereich. Mit der Sonne kommt die Wärme aber auch die Zeit zum Aufbruch.
Aus luftigen Höhen zurück auf den Boden der Realitäten. Heute werden wieder einmal Grenzen verschoben, mit dem Ziel Armenien. Der Weg führt noch einmal quer durch das betriebsame Tbilissi. Mit dem Verlassen der Stadt wird das Umland flach, karg und unattraktiv bis zur Grenze. Was diesmal wie ein Spaziergang beginnt, verstrickt sich in einer weiteren endlosen Formulare-Warte-Schleife. Ein versuchter Versicherungsbetrug beim Abschluss der notwendigen Haftpflichtversicherung wird erfolgreich abgewehrt.
Mit dem Grenzübertritt ändert sich die Landschaft, kurvenreich geht es durch den Nationalpark Dilidschan über den Sewan-Pass zum Sewansee. Der Sewansee ist der größte See des Kaukasus und liegt auf 1.900 Metern sanft eingebettet zwischen grünen unbewachsenen Hügelketten. Leider geht dem Tag schon wieder das Licht aus. Geeignete Schlafplätze am See sind ausgebucht oder aufgelassen und die schwer abgerockte Kleinstadt Sewan ist auch keine Alternative. Kunstlicht begleitet die Fahrt nach Jerewan.
Die ersten armenischen Eindrücke: Der Lego-Stein-Baustil der einfachen Häuser, rundherum unzählige Fabriksruinen. An den Straßenrändern werden Fahrzeuge repariert, oder gegrillter Mais angeboten. Die öffentlichen Busse außerhalb von Jerewan stammen allesamt aus dem letzten Jahrhundert. Der unverwüstliche Lada steht noch immer hoch im Kurs.

Heerstaße, Postkartenmotive und der schönste Zeltplatz der Welt


  1. Tag: Mittwoch, 05. Juli 2023

Strecke: Tbilissi – Mtskheta – Gudauri – Jvari-Pass – Stepantsminda – Gergeti

Streckenlänge: 178 km (gesamt 4852 km)

Zwei Tage Stadt reichen auch schon wieder. Die Heerstraße, über Jahrtausende die einzige Nord-Süd-Verbindung durch den Großen Kaukasus, ist mit den Jahren von einem Gebirgspfad zu einer, nach hiesigen Verhältnissen gerechnet, gut ausgebauten Fernstraße gewachen. Die Heerstraße ist wegen der neuen Grenzen, der von Russland unterstützten Abspaltungen von Abchasien und Südossetien, die einzige Landverbindung zwischen Georgien und Russland. Dementsprechend ist das Verkehrsaufkommen, LKW-Kolonnen reihen sich an kleinere Touristen-Bussen und PKWs, davon auffallend viele russische Kennzeichen. Wie schon zu Sowjetzeiten wollen die Russ_innen anstatt in den Himmel, lieber nach Georgien. Das Panorama, wenn es gelingt den Asphaltstreifen in der Mitte auszublenden, ist atemberaubend. Steile grüne Wiesen, schroffe Täler, teils schneebedeckte Bergspitzen. Kurz vor den Jvari-Pass bietet eine Aussichtplattform beim georgisch-russischen Freundschafts-Denkmal herrliche Aussichten. Eine aus georgischer Sicht nicht ganz ungetrübte „Freundschaft“. Bei Stepantsminda rückt das Postkarten-Nummer-Eins-Motiv ins Bild: die Gergeti-Dreifaltigkeitskirche, im Hintergrund der Kazbek-Gipfel. Das Gotteshaus ist neugierige Blicke gewohnt und gibt sich daher einsichtig. Nur der zweithöchste Berg des Landes, der Kazbek mit seinen 5.047 Metern, ziert sich hinter den Wolken. Ein kurzes Gewitter später verliert er seine Schüchternheit und zeigt sich in voller Pracht!
Endlich wieder eine Zeltnacht, diesmal steht es inmitten der beiden georgischen Zugpferde: zwischen Kirche und Berg.

Bethäuser, Alltagshürden und eine Untergrundbahn


  1. Tag: Dienstag, 04. Juli 2023

Strecke: Tbilissi

In Tbilissi geben sich das Morgen- und das Abendland die Hände. Die Hauptstadt Georgiens ist eine Kirchenstadt, jede Betausrichtung findet hier ihr zugehöriges Haus. Das Alte trifft auf die Moderne, in der Mitte fließt der Fluss Mtkavari und natürlich hat auch Tbilissis Innenstadt seine Seilbahn. Die beiden Stadtteile verbindet im Stadtzentrum die Friedensbrücke, eine moderne Metall-Glaskonstruktion, die im Volksmund formbedingt „Always Ultra“ heißt. Kartlis Deda die „Mutter Georgiens“ wacht vom Berg aus über die Stadt, vor ihren Füßen breitet sich Tbilissi wie ein Teppich aus. Das Altstadtzentrum darunter ist fest in touristischer Hand, die Einheimischen werden zu Dienstleister_innen dekratiert.
Die gefährlichste, alltägliche Hürde ist die Überquerung der Straßen. Fußgängerübergänge sind spärlich vorhanden, die sicherste Variante für eine Kreuzung sind die Unterführungen. Als Alternativen der Fortbewegung, abgesehen vom eigenen Vierrad, Bussen und Marschrutkas (Sammeltaxi) ist die Tbilisser Metro. Es gibt zwei Linien, die rote Line verläuft in der Nord-Süd-Richtung. Ein Ausflug in den Norden endet in einem von Plattenbauten umringten Einkaufs-Tempel für das nichttouristische Volk.
Im Übrigen, die georgische Schlangenschrift ist selbst nach einer Woche im Land noch immer ein unergründliches Mysterium, nicht ein einziges Schlauferl ist hängen geblieben.