Nett verplaudert, verspätet sind die Wünsche angekommen und ein Blick in mein Wohn-Schlaf-Zimmer


20. Tag: Sonntag, 2. Juli

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Strecke: Alt Garge – Darchau – Kaltenhof – Gorleben – Lenzen – Schnackenburg – Arendsee

Streckenlänge: 107 km

Anstatt schlafen zu gehen wird bis in die Nacht angeregt geplaudert, über Reisen, slawische Sprachen und die Besonderheit des Wiener Heurigen. Steve und Christina sind mit dem Tandem übers Wochenende aus Lübeck angereist. Ursprünglich kommen sie aus der Trabi-Hauptstadt Zwickau und aus Salzwedel, an das Eingesperrtsein in der DDR, daran haben die Beiden keine Erinnerung mehr, die Gnade der späten Geburt.
Das Schuheausstopfen war für die Fisch, das Zeitungspapier war nass, die Schuhe ebenso. Auch heute bleibt die Regenhaut das dominierende Kleidungsstück, erst am späten Nachmittag erreichen mich die guten Wünsche meiner Liebsten und die Sonne schaut auf einen Sprung vorbei. Die Elbe, flach eingebettet zwischen fetten Wiesen, begleitet mich heute fast den ganzen Tag. Mehrmals werden die Seiten gewechselt, bis sie sich Richtung Magdeburg verabschiedet. Mein Weg führt weiter Richtung Arendsee. Genauso oft wie die Wasserstraße wechsle ich die ehemalige „Zonengrenze“. Mein gefaltetes Rad sorgt immer wieder für Aufregung und hält mich ab vom Blog schreiben. Die fragende Feststellung – „Mit dem Rad?!“ – höre ich täglich mehrfach. Die ursprüngliche Einschätzung der Radkolleg_innen trägt den Stempel „Sonntagsfahrer“ und das kränkt das Bromptonauten-Herz. Ansonsten keine großen Aufregungen, zum Schluss erlaube ich Euch noch einen Blick in mein Wohn-Schlaf-Zimmer.

Regen auf allen Wegen, gruselige Grenzanlagen und ein Hoch auf Hannah und Glocki


19. Tag: Samstag, 1. Juli

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Strecke: Römnitz – Schlagsdorf – Zarrentin – Schwanheide – Bleckede – Alt Garge

Streckenlänge: 120 km

Socken, Kapuzenjacke, Schuhe alles noch nass, gehen wie in einer Badewanne. Dafür hab ich geschlafen wie ein Kleinkind, mein Schlafsack ist ein Wärmekraftwerk!
„Regen, Regen auf allen Wegen, Regen macht uns Spaß, er macht uns alle nass“ – Sehr lustig! – ein Song der bezaubernden Lassie Singers ist mein Ohrwurm des Tages. Einige Male wechsle ich die ehemalige Deutsch-Deutsche Grenze. Einige DDR-Wachtürme stehen noch, Freilichtmuseen zeigen ganze Grenzanlagen, mit Metallgitterzaun, Todesstreifen, KFZ-Sperrgräben, Betonsperrmauer. Noch immer sehr bedrohlich. Es drängen sich beängstigende Gedanken auf: Flucht, ohne nichts, nur das nackte Leben und das ist gefährdet … Demütig, im Bewusstsein meines Luxuslebens, trete ich weiter. Viele Felder, viele Seen, viel unberührtes Land, vom Unwetter ertränkte Waldwege auf dem Weg bis zur Elbe. Die Natur hat sich den einstigen Grenzstreifen zurückerobert, Rehe springen, Hasen schlagen Haken, jede Menge Federvieh, ein Paradies der Tiere. Ansonsten zieht die Umgebung peripher vorbei, die Regenkapuze sorgt für einen Tunnelblick. Der Regen bleibt konstant.
Zu was Erfreulicherem, zu Hause geben sich gerade Hannah und Glocki, zwei ganz liebe Freund_innen, das „Ja-Wort“. Es kommt zusammen was zusammengehört. Auf diesem Wege alles Gute!
Trotz aller widrigen Umstände, mein ganzes Gewand ist eingeweikt und mein Rad quietscht nach einem Kettenservice, wird das heutige Tagesziel übererfüllt. Und irgendwer hat das Wasser abgedreht, so kann das noch immer nasse Zelt ein wenig auftrocknen. Jetzt müssen nur noch die Schuhe mit Zeitung ausgestopft werden und möge der Hahn morgen zubleiben!

Schlechtes Omen, Kulturraub und schon wieder waschelnass


18. Tag: Freitag, 30. Juni

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Strecke: Wismar – Lübeck – Groß Sarau – Ratzenburg – Römnitz

Streckenlänge: 119 km

Der Himmel hat sich immer noch nicht beruhigt. Die „Pension am Wasserturm“, mein Bettgeber der letzten Nacht, war vielleicht ein schlechtes Omen. Dauerregen! In Berlin stehen die U-Bahn-Stationen unter Wasser und in Tegel lernen die Flugzeuge schwimmen. Wetterbesserung ist nicht in Sicht, alles rinnt! Ostsee Adieu. Die Strecke Wismar – Lübeck bin ich schon getreten, darum nehme ich den Zug. Lübeck, Weltkulturerbe hin oder her, ist nicht mein Fall und schon gar nicht will ich über 60 Euro für ein Bett berappen. Und warum werden in der Wessi-Stadt Lübeck die Fußgänger-Ampeln mit Ampelmännchen geregelt – eindeutig ein Kulturdiebstahl. Ich will weiter. Die Regenhaut aus den 70ern ist eigentlich mehr Zierde als Schutz und so komme ich wieder einmal waschelnass ans Tagesziel, Römnitz am Ratzeburger See. Bei strömenden Regen wird das Zelt aufgebaut und die einzige glückliche Fügung des heutigen Tages, es gibt ein Wirtshaus nebenan. Das Lied zum Tag: Rudi Carell (wer ihn noch kennt) mit „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“. So, ich mach jetzt das Licht aus, der/die Letzte dreht das Wasser ab.

Lebensbeichte, Unwetter und kein Fischbrötchen mehr


17. Tag: Donnerstag, 29. Juni

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Strecke: Dierhagen – Ostseebad Warnemünde – Ostseebad Kühlungsborn – Wismar

Streckenlänge: 91 km

Über die Nacht kam der Regen, früh morgens hängt noch eine dicke Wolkenschicht über dem Dünencamp. Camper sind eine eigene Spezies, manche bringen sogar ihre eigenen Blumenvorgärten mit, gießen müssen sie heute nicht.
Um es gleich vorwegzunehmen, das heutige Tagesziel wird trotz widriger Umstände erreicht. Unter einem Himmel voller Wolken geht es immer dicht am Wasser entlang. Unterwegs reiße ich einen neuen Begleiter auf, Frank aus Hessen. Frank ist seit sieben Jahren trocken, das Radfahren hat ihm geholfen von der Droge Alkohol wegzukommen. Seit drei Wochen ist er bereits unterwegs, mit offenem Zeitbudget. Eineinhalb Stunden treten wir gemeinsam durch den Wald, in Warnemünde, eine Lebensgeschichte weiter, trennen sich unsere Wege. Der Himmel grollt bedrohlich. Zwischen Warmemünde und dem Ostseebad Kühlungsborn stehen die letzten zwei noch erhalten gebliebenen DDR-Grenzwachtürme. Dann platzt der Himmel, es schüttet wie aus Kübeln. „Molli“ die Bäderbahn bringt mich nicht ins Trockene, aber Richtung Etappenziel. Einmal umsteigen und Wismar heißt der heutige Hafen. Ein paar Knöpfe gedrückt und ein Zimmer ist gebucht, wie war das früher? Nur gegen das viele Wasser von oben, da geht auch die neue Technologie baden. Es schüttet noch immer, das Fischerboot „Emma“ schaukelt aufgeregt im Hafenbecken. Ein Fischbrötchen wäre jetzt noch ein Hit, aber alle Rollbalken sind schon gefallen. Wismar schläft bereits und das kurz nach acht.

Zug statt Kopfsteinpflaster, Freund Ernst und die schönste Form von deutsch-deutscher Wiedervereinigung


16. Tag: Mittwoch, 28. Juni

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Strecke: Greifswald – Stralsund – Barth – Ostseeheilbad Zingst – Ostseebad Prerow – Dierhagen

Streckenlänge: 134 km

Das historische Kopfsteinpflaster auf der Strecke Greifswald – Stralsund spar ich mir. Diese Strecke hatte ich schon mal, brauch ich nicht mehr, ich nehme lieber den Zug. In der Hansestadt Strahlsund dominiert der Backstein, am Hafen die Fischbrötchen. Beim Verlassen der Stadt treffe ich meinen Freund Ernst, Ernst Thälmann. Versteinert blickt er von der Strandpromenade aus Richtung Meer. Auch heute wieder eine ruhige Strecke, kleine Dörfer, Bungalows mit perfekt gestutztem Rasen, Koppeln mit Pferden, Rindviecher grasen und alles mögliche Geflügel. Unterwegs zähle ich zum Zeitvertreib die Radler_innen „mit“ und „ohne“. Meine nicht repräsentative Statistik geht mit 41:40 an die „Eierschädl“ (liebevoll für Helmträger_innen). In Barth treffe ich auf Jutta und Harald, unsere Blicke haben sich schon am Bahnhof von Greifswald gestreift. Beide ohne Eierschädl dafür mit Cowboyhut. Jutta aus Göttingen, Harald aus Dresden, jahrelang getrennt durch den Eisernen Vorhang. Nach der Öffnung haben sie sich kennengelernt, heute sind sie seit sieben Jahren ein Paar. Die schönste Form von deutsch-deutscher Wiedervereinigung! Geschichten werden ausgetauscht, Erfrischungsgetränke getrunken, die Zeit übersehen. Schön war’s, aber jetzt kommt mein Zeitplan doch noch ins Wanken. Die Halbinsel Darß wartet noch, Seebäder, Moorwälder, Fischland. Mein Zelt steht heute nahe der Dünen in Dierhagen.

Badewanne der Berliner, endlich Entspannung und wunderbare Fischbrötchen


15. Tag: Dienstag, 27. Juni

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Strecke: Ostseebad Karlshagen – Peenemünde – Freest – Seebad Lubmin – Greifswald

Streckenlänge: 73 km

Obwohl ich jetzt schon seit zwei Wochen an der Ostsee unterwegs bin, war ich noch kein einziges Mal baden. Erst hat das Wetter nicht gepasst, jetzt mag ich grad nicht. Usedom wird auch die „Badewanne der Berliner_innen“ genannt und wo schon so viele Menschen sich gesäubert haben, steck ich meine Zehen nicht mehr rein. In der Campingstadt, werde ich vom Nachbar-Wohnwagen auf ein Abendbrot eingeladen und erfahre allerlei Geschichten von geländegängigen Fahrzeugen und übers Campen vom Profi. Mein Gegenüber hat für jede Aufgabenstellung das passende Werkzeug parat.
Heute rollt alles perfekt, fahrbarer Untergrund auf allen Wegen. Eine landschaftlich sehr schöne unaufgeregte Strecke führt den Pennestrom runter dann rauf und durch ein Fischerdorf  – Freest – das den Namen auch verdient und noch nicht zum Seebad verkommen ist. Es gibt auch ein Seebad (Lubmin) an dem der große Zirkus anscheinend vorbeigezogen ist, auf der obligatorischen Seebrücke – niemand da! Das Tagesziel Greifswald wird schon am frühen Nachmittag erreicht. Heute schlaf ich wieder einmal in einem festen Bett, vorher stehen Restaurierungsmaßnahmen auf dem Programm: Körper- und Wäschepflege, Schlafsack ausstinken lassen, … An der Ryck, der Greifswalder Verbindung mit der Ostsee, darf ich heute einmal in Ruhe, bei einem Erfrischungsgetränkt, Blog schreiben.
Allfälliges: Seit gestern kann ich mich wieder im gewohnten Maße verständlich machen, gleichzeitig verstehe ich auch alles, was nicht immer von Vorteil ist. Kulinarisch waren die ersten zwei Wochen eher als Nahrungsaufnahme zu verbuchen. Ab sofort gibt es Fischbrötchen und Würzfleisch – großartig! Einzig die Fischbratwurst?!, die geht gar nicht!

Geschundene Waldwege, ein weiterer Länderwechsel und der „Geschmack der Gerechten“


14. Tag: Montag, 26. Juni

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Strecke: Dziwnów – Międzyzdroje – Świnoujście (PL) – Seeheilbad Ahlbeck (D) – Ostseebad Karlshagen

Streckenlänge: 92 km

So richtig warm ist es in den letzten Tagen nur im Schlafsack. Achtzigerjahre-Klänge aus der Disco nebenan dröhnen mich in den Schlaf.
Der Tag beginnt auf Wegen weg vom Wasser durch das Land, durch Kastanienalleen, vorbei an Feldern durch kleine Dörfer. Ein Loblied auf den „Sklep“, jede kleinere Ortschaft hat einen, diese Mini-Märkte bieten alles, vom Klopapier bis zur Wurstsemmel. Die letzten polnischen Kilometer haben noch einige Überraschungen auf Lager, vom Regen geschundene Radwege, sowie nicht ganz eindeutige Angaben in meinem Radbuchbegleiter verleiten mich beinahe zu einer ausufernden Extratour. Das Wetter hat sich positiv eingerenkt und die Grenzstadt Świnoujście ist in Reichweite. Die polnische Etappe hat uns beide, mein Brompton und mich, teilweise an unsere Grenzen gebracht – Wetterverirrungen, Sandpisten, fehlende Zeit – trotzdem will ich keinen Kilometer missen. Seitenwechsel. Über der Grenze dasselbe Bild, auch in den deutschen Seebädern steppt der Bär. Die Hotels und Villen heißen Kaiser Wilhelm oder Germania, davor wird Störtebecker-Bier – „der Geschmack der Gerechten“ – ausgeschenkt. Der Kapitalismus hat keinen Genierer! Nach den ersten drei großen Seebädern führt ein Waldweg hinaus aus dem Wahnsinn, sehr romantisch wenngleich weniger abenteuerlich als auf polnischer Seite, ich weiß es zu genießen. Der heutige Campingplatz ist eine penibel durchorganisierte Kleinstadt deutscher Gründlichkeit – schlafen werd ich trotzdem gut.

Verwahrlosung abgewendet, ein Stück „Eiserner Vorhang“ und Johnny Cash muss da bleiben


13. Tag: Sonntag, 25. Juni.

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Strecke: Łazy – Ustronie Morskie – Kołobrzeg – Mrzeżyno – Rewal – Dziwnów

Streckenlänge: 111 km

Abends wurde noch der Körper vor der zunehmenden Verwahrlosung bewahrt, das Rad entsandet und auffrisiert.
Nach der gestrigen Strapaze geht es heute auf gut zu befahrenden Wald- und Radwegen immer der Küste entlang. Am Weg liegen einige „Jahrmarktsdörfer“, dazwischen kehrt immer wieder Ruhe ein. Der große Rummel beginnt vor Kołobrzeg. Kolberg wie es einst hieß, gehörte zu den nobelsten Sommerfrische-Domizilen des deutschen Kaiserreichs. Heute wird gebaut wie blöd, ein Kasten neben dem anderen, im Stadtzentrum das übliche Gewusel. Bei der Stadtflucht macht sich erneut der Regen wichtig, wo ich mich gerade wieder an trockenes Gewand gewöhnt habe. So ein Tag reicht nicht aus, es werden schon in den Pausen Notizen gemacht um alles zu behalten, nicht nur der Kadaver, auch das Hirn lässt nach. Auf das große Remmidemmi folgt das Nichts. Mitten im Nichts ein letztes Überbleibsel „Eiserner Vorhang“ – Vorder- sowie Hinterlandzaun samt Kolonnenweg auf mehreren Kilometern. Keine Infotafel, kein Hinweis, nichts! Johnny Cash muss hierbleiben, zum einen, weil sich der bisherige Träger einen Waschvorgang ersparen will – Johnny Cash riecht schon sehr streng – anderseits um sich in die Augustin-Rubrik „liegen gelassen“ einzureihen. Mit Hilfe der Bundesstraße wird das heutige Tagesziel erreicht. Es folgt das Übliche, Haus- und Bettenbau, Erfrischungsgetränk, Blog schreiben. Erst wenn alles erledigt ist, gibt es etwas zwischen die Zähne.

Luxusprobleme, Dauerregen und pure Wut


12. Tag: Samstag, 24. Juni

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Strecke: Rowy – Ustka – Darłówko – Dabki – Dabkowice – Łazy

Streckenlänge: 95 km

Trotz mentaler Bestform geht mir gerade alles, um es kindergerecht zu formulieren, auf den Geist: die Kirtagsdörfer mit Strandzugang, das ganze Souvenirgerümpel, kein Internetz, die zu befahrenden Untergründe, die Radwegbeschriftungen, das Wetter, … Alles Luxusprobleme. Trotzdem! Heute ist kein Tag für Fahrrad-Romantik, heute wird nur auf die Kilometerleistung geachtet. Keine Radwege, Bundesstraße! Überlandregen in allen Abstufungen, um die Mittagszeit in Darłówko bin ich nass bis auf die Knochen. In der Mittagspause setzt der Regen aus, um sich rechtzeitig zur Abfahrt wieder wichtig zu machen. In Dabki tobt wieder der Zirkus. Rege Bautätigkeit. Der letzte Ost-Charme wird beseitigt um eine Vergnügungs-Wunderwelt mit Meerblick aus der Erde zu stampfen. Radfahrtechnisch läuft alles rund, die letzten Kilometer reine Formsache. Nur, die Realität hat immer Überraschungen auf Lager. Die vermeintliche Spazierfahrt zur heutigen Liegestadt wird zum Härtetest. Ein reiner Sandweg über fünf Kilometer. Rad schieben ist schlimm, Rad samt Gepäck tragen ist die Hölle. Beim Schieben kommen sich mitunter auch die Pedale mit den Beinen in die Quere. Die darauffolgenden Schreie haben mit Schmerz nichts zu tun, purer Zorn! Mein „Bobo-Porsche“ (© Reinhold Schachner) weiß mit fast allen Bodenbeschaffenheiten umzugehen, nicht mit Sand! Apropos Brompton, mein Zweirad löst die unterschiedlichsten Reaktionen aus, von ungläubigem Kopfschütteln bis Daumen hoch. Manche halten es im gefalteten Zustand für einen Rollstuhl, andere Fragen „Und wo ist der Motor?“, und die beste Meldung bis dato – „Where you do want to go with this?!“. Schau ma mal, was der morgige Tag zu bieten hat …

Ein Meer aus Sand, schieben statt rollen und das nächste Jahrmarktsdorf


11. Tag: Freitag, 23. Juni

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Strecke: Łeba – Izbica – Kluki – Smołdzino – Rowy

Streckenlänge: 74 km

Spätabends, wie auf Knopfdruck sind alle Menschen verschwunden und alle Läden dicht. Auch die Köch_innen machen Feierabend. Mit Mühe bekomme ich eine Pizza. In der Nacht kommt er dann doch noch, der Regen. Da lieg ich aber schon fest eingepackt in meinem Schlafsack, sehr romantisch.
Der frühe Vogel fängt den Wurm, so mache ich mich schon sehr zeitig auf den Weg zu den Wanderdünen von Łeba, ein Extra-Ausflug von tour-retour 20 Kilometern. Die Nationalpark-Kasse hat noch geschlossen und ich wandere alleine durch ein Meer aus Sand, am Rückweg trudeln die ersten Besucher_innen ein. Weiter die eigentliche Route: Durch den Wald, durch Wiesen und Felder, durch vergessene Dörfer. Die Untergründe werden immer ausgefallener. Auf Sandwege folgen Betonplattenwege und diese enden auf Pfaden durch Sumpfwiesen. Es wird oft geschoben. Ab dem Freilicht-Museums-Ökodorf Kluki kündigt sich wieder eine Kurzstrecke Asphalt an. Der Segen hält nur kurz, es folgen Betonplatten- und Sandwege bis zu meiner heutigen Bettenstation, einem dubiosen Campingplatz in Rowy, einem weiteren Jahrmarktsdorf mit Meerzugang. Zusätzlich hab ich noch eine unfreiwillige Ehrenrunde eingebaut – schon wieder verfahren! Die Hafenkneipe versöhnt mich mit dem Tag, bis der große Wolkenbruch kommt. Gut eingeweicht versenke ich mich in meinem Schlafsack, um von Sand- und Betonplattenwegen zu träumen.
Zum Schluss noch eine Beobachtung: Polnische Radler_innen besprayen neben ihren Körpern auch ihre Räder mit Gelsen-Abwehr.