Kitsch-Burgen, Landschaftsträume und Erschöpfung


13. Tag: Freitag, 12. Juli 2024

Strecke: Koman Stausee – Vau-Deja – Lezhe – Burrel – Maqellara – Peshkopia

Streckenlänge: 188 km (gesamt 2.008 km)

Auf dem Weg durchs Land  wachsen immer wieder, ganz unvermittelt, kuriose Phantasie-Burgen aus der Erde. Von Dornröschen- bis Drachen-Kitsch wird die ganze Bandbreite geboten, Hauptsache mit Pool und protzig.

Die Szenerie wiederholt sich, ein weiteres Tal, ein weiterer Zauberfluss, eine weitere Serpentinen-Straße, traumhafte Panoramen.

Peshkopia ist der heutige Schlusspunkt. Eine Kleinstadt im Osten Albaniens unweit der nordmazedonischen Grenze. Der empfohlene Badespaß in der Black Drin (Fluss) muss auf Grund von Parkraum-Querelen abgesagt werden: Eine steil abfallende Schotterpiste mit Dutzenden ineinander verkeilten Vehikel ohne Chance auf Entwirrung.

Zarte Erschöpfung breitet sich, zu viele Abenteuer, zu viele Eindrücke. Ein Stadtspaziergang, Erfrischungsgetränke uns ein skurriles Abendmal beenden die neuerliche Hitzeschlacht. Das klimatisierte Speiselokal sitzt am Dach eines hässlichen Gewerbekomplexes oberhalb einer Spar-Filiale. Das Ambiente ist traditionell, die servierten Speisen hervorragend.

Ein blaues Auge, eine alte Brücke und allein zu Haus am See


12. Tag: Donnerstag, 11. Juli 2024

Strecke: Theth – Shkodra – Koman Stausee

Streckenlänge: 139 km (gesamt 1.820 km)

Noch einmal werden die Wanderschuhe angezogen um ein blaues Wunder zu erleben. Ein weiterer steiniger Pfad führt in ein weiteres Seitental am einem weiteren Fluss entlang zum Syri i kalter, dem Blue Eye. Eine glasklare türkis-blaue Badewanne die von einem Wasserfall befüllt wird. Auch die gelbe Sau hat sich mit auf den Weg gemacht und ist wieder einmal in Bestform. Ein Sprung in das eiskalte Becken sorgt für Erleichterung. Leider ist auch dieses blaue Naturwunder sehr gut besucht was ein längeres Verweilen verunmöglicht.

Es folgt der weite Weg zurück, Kehre um Kehre hinauf zum Pass und Kehre um Kehre zurück ins Flachland. Nahe Shkodra gibt es noch einen Fotostopp um die Ura e Mesit, Albaniens bedeutendste osmanische Brücke, auf Mobiltelefon zu laden.

Albanien ist ein Autoland und die Mercedes-Dichte ist immer noch die Höchste weltweit, aber inzwischen haben auch andere Großkotze wie Audi und BMW stark zugelegt. Die liebste Freizeitbeschäftigung der Albaner ist „Lavazh“ und auch unser treuer Untersatz bekommt heute seine mehr als verdiente Dusche.

Shkodra wird nur am Rand gestreift, der Weg führt wieder in etwas luftigere Höhen zum großflächig verzweigten Koman Stausee. Am versteckten Campingplatz direkt am Wasser ist niemand zu Hause. Das weiche Wasser wäscht den Schweiss eines anstrengenden Tages von den müden Körpern und das nahegelegene Wirtshaus sorgt für feste und flüssige Nahrung. Das Glücksbarometer steht auf Anschlag!

Hitze, ein Wasserfall und der kulinarische Gipfel


11. Tag: Mittwoch, 10. Juli 2024

Strecke: Theth

Die gelbe Sau brennt unerbittlich auf alles was sich unter ihr bewegt. Große Abenteuer werden für heute abgesagt, stattdessen wird die Umgebung weiträumig erkundet: das Bethaus, ein Steinturm indem sich von Blutrache bedrohte Männer verstecken konnten, der Fluss, kriminelle Flussübergänge und ein Wasserfall.

Theth hat seine romantischen Plätzchen, nur leider gehören sie einem nie alleine. Der urige Wasserfall samt Schwimmbecken ist bevölkert wie ein städtisches Strandbad.

Am Nachmittag werden die Betten umgesiedelt auf einen Platz abseits des Trubels, hoch über dem Dorfzentrum. Es folgt ein überraschender kulinarischer Höhepunkt. Neben den Betten führt ein schmaler, steiler Pfad zu einem noch im Bau befindlichen Gästehaus. Die Küche aber war bereits geöffnet, traditionelle Schmankerl, einfach unglaublich!

Tal runter, Tal rauf und von den Alpen umzingelt


10. Tag: Dienstag, 9. Juli 2024

Strecke: Vermosh – Tamarë – Han I Hotit – Dedaj – Boga – Theth

Streckenlänge: 134 km (gesamt 1.681 km)

Kehre um Kehre schraubt sich der Asphalt steil bergab Richtung Shkodrasee. Nach nur wenigen Kilometern auf ebener Erde schraubt sich der Asphalt wieder in luftige Höhen. Die Straße ist sehr schlank, aber inzwischen einwandfrei und angstlos zu  befahren. Nach Überquerung des Thore-Passes (1.630 m) windet sich die Straße wieder hinunter auf ein Niveau von rund 950 Metern zum Tourismus-Magnet Theth. Malerisch eingebettet entlang des Shala-Flusses umgeben von mehreren Zweitausendern. So verträumt wie Vermosh ist Theth schon lange nicht mehr.

Im einem Lokal mit bestechenden Einblick ins Tal versammeln sich alle Nationalitäten um die albanische Küche zu genießen. Die Dauerbeschallung von der Fluss-Strandbar ist dabei ein gnadenloser Stimmungskiller.

Ein falscher Gipfel, eine Schelte und doch noch Glücksgefühle


9 Tag: Montag, 8. Juli 2024

Strecke: Vermosh – Maja e Grebenit (1.840 m) – Vermosh

Der Wanderreiseführer wirbt mit einer entspannten Tour auf den Maja e Grebenit, einen Gipfel im albanischen Grenzgebiet zu Montenegro. 

Der Weg ist wunderbar markiert, und führt steil bergauf durch den Wald. 3 Stunden Gehzeit verspricht eine Tafel beim Einstieg. Nach 2 Stunden ist die Waldgrenze erreicht und einen hochgewachsene fette Blumenwiese breitet sich aus. So hochgewachsen, dass sie auch alle Markierungen verschluckt. Der selbsternannte Pfadfinder wählt den steilen Weg. Nach weiteren eineinhalb Stunden Blut, Schweiß und Tränen wird der Gipfel erklommen. Der falsche, gegenüber jetzt einwandfrei zu erkennen klotzt der richtige!

Der Pfadfinder muss sich einiges anhören und hat alle Hände voll zu tun die Situation zu beruhigen. Etwas später am richtigen Gipfel überdecken die Glücksgefühle alle anderen Emotionen. Ein unbeschreibliches Rundherum-Berg-Panorama.

Beim Abstieg wird von dem überall wuchernden wilden Erdbeeren genascht und mit hunderten blutsaugenden Bremsen gekämpft. Zurück im Tal, dampfen die Körper und nur der Gedanke an ein gut gekühltes Erfrischungsgetränk hält die Moral aufrecht. 

Ein Dorf in den Alpen, Bunker und Ziege


8. Tag: Sonntag, 7. Juli 2024

Strecke: Plav (MNE) – Vermosh (AL)

Streckenlänge: 25 km (gesamt 1.547 km)

Am Plavsko jezero startet gerade ein Triathlon, die erste Disziplin ist das Schwimmen. Bevor die Rad-Etappe startet und die Straßen verstopft,  wird das Vierrad angeworfen. Diesmal bleibt es bei einer Kurzstrecke. Die albanische Grenze ist bald erreicht, der Andrang ist gleich Null.

Vermosh, das nördlichste Dorf Albaniens liegt auf 1.100 Metern im gleichnamigen Tal. Im Dorfkern endet die asphaltierte Straße und eine gut befahrene Piste führt zum Camping-Traum. Ein Stellplatz unter einem Schatten spendenden Apfelbaum. Diesmal erfrischt das erste Getränk bereits zur Mittagszeit.

Der nachmittägliche Spaziergang führt die Piste weiter das Tal entlang: eine Hängebrücke wackelt über ein ausgetrocknetes Flussbett, eine befahrbare Brücke ist in Bau, vereinzelte Häuser, keine Menschen. Vermosh im Ruhemodus. Auch die vier Enver-Hoxha-Bunker, die der einstige Diktator ab 1967, wie hunderttausend andere auch, aus Angst vor einer feindlichen Invasion bauen ließ, schlummern vor sich hin.

Am Ende des Weges sprudelt ein Fluss, raus aus den Schuhen, die Füße kühlen. An diesem Ruhepol sagen sich Schaf und Ziege Gute Nacht, letztere steht heute Abend am Speiseplan.

Heimreisemodus, Panoramastraße und ein Temperatursturz


  1. Tag: Montag, 17. Juli 2023

Strecke: Shkodrasee (AL) – Podgorica (MNE) – Nikšić – Foča (BiH)

Streckenlänge: 219 km (gesamt 8.817 km)

Der Heimreisemodus lässt sich nicht mehr anhalten. Raus aus dem Hitzekessel Shkodrasee, rauf auf die Transitroute. Nach einem weiteren Grenzwechsel führt ab Podgoriza die „Panorama Straße 1“ von Süd nach Nord durch ganz Montenegro. Vorbei an der Bierstadt Nikšić, über Hochebenen, vorbei am Pivsko Stausee, an den Rändern des Dumitor Nationalparks entlang, weiter durch die Piva Schlucht bis zum nächsten Grenzbalken in die Republika Srpska. Als Teil von Bosnien und Herzegowina, entstanden in Folge des Bosnienkrieges, wird die Republika Srpska heute hauptsächlich von bosnischen Serb_innen bewohnt.
An der montengrinisch-bosnischen Grenze treffen sich die Flüsse Piva und Tara und vereinigen sich unter dem Namen Drina. Eine schmale Rumpelstraße schlängelt sich entlang der Drina runter ins Tal. Nahe Foča wird das Haus gebaut und das Eintauchen in der Drina sorgt für einen glasklar erfrischenden Temperatursturz um die 25 Grad!

Kara Ben Nemsi, Statussymbole und ein Hitzestau


  1. Tag: Sonntag, 16. Juli 2023

Strecke: Radožda (NMK) – Elbasn (AL) – Tirana – Shkodra

Streckenlänge: 231 km (gesamt 8.598 km)

Die wunderbare Ohrid-Forelle schwimmt noch immer im Baucherl, gemeinsam mit gleichfalls wunderbarem Wein und einem Rakia zum drüberstreuen.
Nach einer neuerlichen Süßwassererfrischung und einem weiteren Grenzübertritt rollen die Räder durchs Land der Skipetaren. Wie einst Kara Ben Nemsi, nur nicht im Kopf, sondern in Echtzeit.
In Albanien wird eine Monoreligion gelebt: Das Automobil! „Lavash, Lavash!“ Alle fünfhundert Meter bietet sich die Möglichkeit, sein Fahrzeug vom Staub zu befreien. Autowaschen ist die Lieblingsfreizeitbeschäftgung der Albaner. Noch immer schlagen die meisten Herzen für einen Mercedes Benz, Albanien ist das Land mit der höchsten Mercedes-Dichte. Aber der Stern hat mit den Jahren an Glanz verloren, konkurrierenden Angeberkarossen wie Audi, BMW oder Porsche, kleben dem Marktführer dicht am Auspuff.
Inzwischen ist die 40 Gradmarke überschritten und selbst ein Bad im Skodrasee kann nicht mehr erfrischen. Ziege, ein traditionell albanisches Gericht verabschiedet, gemeinsam mit zwei norwegischen Motorrad-Reisebekanntschaften, den Abend.

Der Ohridsee im Nebel, unfreiwillige Zeugen und unfreiwillig gemachte Betten


13. Tag: Dienstag, 24. September

Strecke: Ohridsee (ALB) – Struga(MKD) – Kičevo – Gostivar – Skopje

Streckenlänge: 210 km

Kein guter Tag! Die Nacht hat es durchgeregnet, ein nasses Zelt und nasse Füße in der Früh, zusätzlich einen blöden Kopf vom Schnaps und der Ohridsee versinkt im Nebel.
Der Abschied von Albanien fällt «ins Wasser». Den Ohridsee teilt sich Albanien mit Nordmazedonien genauso wie das aktuell schlechte Wetter. Den Ohridsee im Rücken, folgen wir der Hauptstraße Richtung Norden vorerst bis nach Kičevo. Eine Bergbaustadt mit orientalischem Flair und jeder Menge Straßenhunden. Kičevo spendet das heutige Foto zum Blog, ein verblassendes Hauswandbild aus den goldenen, vereinten Jugo(slawien)-Zeiten.
Zum Leidwesen der Liebsten vergeht kein Tag ohne Abenteuer. Kurz vor Gostivar werden wir unfreiwillige Zeugen eines Verkehrsunfalls. Aufgrund eines sowohl waghalsigen, als auch verbotenen Überholmanövers des Fahrzeuges vor uns, kracht ein entgegenkommender PKW in einen LKW. Der Verursacher fährt weiter. Die vier Insassen des betroffenen Kleinwagens, vermutlich ein Totalblechschaden, bleiben alle unverletzt! Die unausgeschmückte Kurzversion: es dauert an die zwei Stunden bis alle Formalitäten geklärt sind. Das tatsächliche Abenteuer wird mündlich überliefert.
Nahe Skopje verspricht der Matka-Canyon einen Campingplatz am Fluss, leider geschlossen. Ein weiterer am nahe gelegenen Tresko See steht kurz vor dem Verfall und das Rundherum verleitet nicht zum Wild-Campen. Letztendlich wird es ein richtiges Bett, in einem richtigen Hotel im Zentrum Skopjes.
Das erste Reparier-Bier gibt es zum Abendessen, vor einer ausgiebigen Dusche und einem gemachten Bett.

Bella Ciao ihr Partisanen, der Auspuff gibt den Geist auf und ein buddhistischer Fernfahrer namens Walter


12. Tag: Montag, 23. September

Strecke: Shelegur Farm – Ersekë – Korçë – Ohridsee

Streckenlänge: 135 km

Wir wachen vor den Kühen auf, das Thermometer auf der 1.020 Meter hochgelegenen Alm zeigt frische 12 Grad.
Eine weitere Berg-Und-Tal-Fahrt. Griechenland begleitet uns heute den ganzen Tag zu unserer Linken. Unterwegs immer wieder Partisanendenkmäler, auch jede Stadt, jede Kleinstadt, jedes Dorf hat ihr eigenes.
Es scheppert unüberhörbar! Die Stör-Geräusche unter unserem «Roten Blitz» lassen sich nicht mehr ignorieren. Das Glück der Tüchtigen führt uns ohne Umwege zu einer Werkstatt. Eine Hebebühne, fünf Männer bewundern den Unterboden des Wagens mit dem fremden Kennzeichen. Der Auspuff hat ein Problem. Eingerissen. Kein Problem. Ein Mann, ein Schweißgerät und «Zack, Zack, Zack», zehn Minuten später ist das Automobil wieder fahrbereit. Einmal zahlen bitte! Die schlampig übersetzte Antwort: «Geht auf’s Haus!» Das geht natürlich gar nicht! Wo der Tourismus noch nicht angekommen ist, ist die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Menschen nicht zu überbieten.
Ersekë ist mit seinen 900 Metern über dem Meer die höchstgelegene Stadt Albaniens, ein altes Steindorf ganz in der Nähe der ideale Platz für eine Mittagspause. Riesige Industrieruinen begleiten die Einfahrt in die Bierstadt Korça, eine architektonisch zerrissene Stadt. Moderne Bau-Verirrungen, eine breite Fußgängerpromenade, ein Theatherplatz und ein nicht ins Stadtbild passender Aussichtsturm. Der «Red Tower» ist das Verbrechen eines Deutschen Architekturbüros. Ein schmuck renoviertes Basarviertel mit großteils noch leerstehenden Geschäftslokalen mündet auf einem großzügigen mit Lokalen gesäumten Platz. Korçë trägt den nicht schlüssigen Beinamen «Kleines Paris».
Bis zum Ohridsee ist es jetzt nur noch ein Katzensprung. Ein wunderbarer Zeltplatz direkt am Wasser unweit der nordmazedonischen Grenze ist die heutige Endstation. Im angeschlossenen Wirtshaus sitzt der inzwischen pensionierte, buddhistische Fernfahrer Walter. Walter war mit seinem LKW bereits in den frühen 80er-Jahren, noch zu Hoxhas-Zeiten in Albanien unterwegs. Seine Liebe zu Land und Leuten hat bis heute gehalten.