Ein Schmuckkasterl, ein Martyrium und Schluss mit Abenteuer


  1. Tag: Sonntag, 09. Juli 2023

Strecke: Vardzia – Achalziche – Chulo – Batumi (GE) – Ardeşen (TR)

Streckenlänge: 306 km (gesamt 5.906 km)

Aufwachen Auge in Auge mit der Höhlenstadt, dazwischen verstreut sich ein Fluss. Die ortsansässigen Straßenhunde wachten die ganze Nacht über auf Haus und Fuhrwerk, als Belohnung gibt es ein üppiges Wurstpaket.
Es wartet ein Arbeitstag, der Kleine Kaukasus verspricht aufregende Aussichten und er hält sein Versprechen. Als unerwartetes Vorspiel die Bezirkshauptstadt Achalziche mit Burg und herzeigbarer Altstadt. Noch stimmt das Plansoll. Aber, der Teufel kommt auf leisen Sohlen. „Batumi 168 km“, steht geschrieben. Die Straße wird steiler, der Belag rissiger, bis er vollständig verschwindet. Jeden Kilometer kommt eine Widrigkeit dazu. Schlamm, Sturzbäche, herabgefallene Felsbrocken, Baustellen. Die Straße ist seit Jahren in Arbeit, die Situation unverändert schlecht. Immer wieder brechen bei Unwettern Teile weg. Ein erstes, allradbetriebenes, Fahrzeug bleibt im Schlamm stecken, mit vereinten Kräften wird die Spur wieder befahrbar gemacht. Für ein Umkehren ist die Zeit bereits abgelaufen. Es wird gekämpft um jeden Meter. Reifen und Unterboden werden auf’s extremste herausgefordert. Einmal hilft ein Bagger aus und ebnet notdürftig die Piste. Die Nerven liegen plank. Nach Stunden oben am Pass angekommen applaudieren die Arbeiter, ungläubige Augenpaare strecken ihre Daumen in die Lüfte – Opel Corsa Superstar! Es mischt sich Nebel ein in’s Geschehen. Bergab entspannt sich das Geschehen geringfügig. Die letzten Kilometer setzt Starkregen ein, dazu beginnt das Verkehrschaos an den Rändern von Batumi. Die Lust auf Abenteuer ist abhanden gekommen. Ein letztes ist der Grenzwechsel in die Türkei. Nach dem bereits Erlebten können die Grenzschikanen auf türkischer Seite nicht mehr erschüttern. Ein abgewohntes Zimmer in Ardeşen bringt Ruhe zu später Stunde.

Eingezwickt, eine Höhlenstadt und Kochen ohne Strom


  1. Tag: Samstag, 08. Juli 2023

Strecke: Jerewan – Gyumri (AM) – Achalkalaki (GE) – Vardzia

Streckenlänge: 262 km (gesamt 5.600 km)

Heute zeigt Armenien ein anderes, sein karges Gesicht. Das westlich liegende Armenien hat ein lange Grenze mit der Türkei, nur die Grenzbalken bleiben auf Grund anhaltender Konflikte geschlossen. Armenien ist eingezwickt, im Osten liegt Aserbaidschan und ein Landeswechsel ist, wegen des anhaltenden Bergkarabachkonflikts, ebenfalls nicht möglich. Es gibt nur zwei Auswege, im Süden einen kurzen Grenzstreifen mit dem Iran und im Norden Georgien.
Diesmal funktioniert der Grenzübertritt wie Butter auf’s Brot schmieren. Kaum zurück in Georgien kommen die Berge zurück und mit den Bergen die Gewitter. Alles schwarz am Himmel, ein heftiger Wolkenbruch führt zu einer Fahrtunterbrechung und in der Umgebung zu einem Stromausfall. Das Mobilheim steht auf einer Anhöhe gegenüber der Höhlenstadt Vardzia. In einer Steilwand des Erusheti-Gebirges erstreckt sich über mehrere Ebenen ein komplexes Tunnelsystem. Das Unwetter verzieht sich, der Energieausfall bleibt. Das Abendessen aus der Küche kommt diesmal nicht von der Herdplatte, es wird auf offenem Feuer zubereitet.

Sonnenaufgang am Berg, ein Fahrtag und erste Eindrücke


  1. Tag: Donnerstag, 06. Juli 2023

Strecke: Gergeti – Tbilissi (GE) – Dilidschan (AM) – Sewan – Jerewan

Streckenlänge: 486 km (gesamt 5.338 km)

Die Sonne versteckt sich hinter massiven Bergketten. Einzelne Strahlen streifen bereits die Hochebene, nur der Kazbek zeigt sich bereits im besten Licht. Pferde grasen, die Wachhunde schlafen noch, das Kaffeewasser kocht und die Frühtemperaturen bewegen sich im einstelligen Bereich. Mit der Sonne kommt die Wärme aber auch die Zeit zum Aufbruch.
Aus luftigen Höhen zurück auf den Boden der Realitäten. Heute werden wieder einmal Grenzen verschoben, mit dem Ziel Armenien. Der Weg führt noch einmal quer durch das betriebsame Tbilissi. Mit dem Verlassen der Stadt wird das Umland flach, karg und unattraktiv bis zur Grenze. Was diesmal wie ein Spaziergang beginnt, verstrickt sich in einer weiteren endlosen Formulare-Warte-Schleife. Ein versuchter Versicherungsbetrug beim Abschluss der notwendigen Haftpflichtversicherung wird erfolgreich abgewehrt.
Mit dem Grenzübertritt ändert sich die Landschaft, kurvenreich geht es durch den Nationalpark Dilidschan über den Sewan-Pass zum Sewansee. Der Sewansee ist der größte See des Kaukasus und liegt auf 1.900 Metern sanft eingebettet zwischen grünen unbewachsenen Hügelketten. Leider geht dem Tag schon wieder das Licht aus. Geeignete Schlafplätze am See sind ausgebucht oder aufgelassen und die schwer abgerockte Kleinstadt Sewan ist auch keine Alternative. Kunstlicht begleitet die Fahrt nach Jerewan.
Die ersten armenischen Eindrücke: Der Lego-Stein-Baustil der einfachen Häuser, rundherum unzählige Fabriksruinen. An den Straßenrändern werden Fahrzeuge repariert, oder gegrillter Mais angeboten. Die öffentlichen Busse außerhalb von Jerewan stammen allesamt aus dem letzten Jahrhundert. Der unverwüstliche Lada steht noch immer hoch im Kurs.

Heerstaße, Postkartenmotive und der schönste Zeltplatz der Welt


  1. Tag: Mittwoch, 05. Juli 2023

Strecke: Tbilissi – Mtskheta – Gudauri – Jvari-Pass – Stepantsminda – Gergeti

Streckenlänge: 178 km (gesamt 4852 km)

Zwei Tage Stadt reichen auch schon wieder. Die Heerstraße, über Jahrtausende die einzige Nord-Süd-Verbindung durch den Großen Kaukasus, ist mit den Jahren von einem Gebirgspfad zu einer, nach hiesigen Verhältnissen gerechnet, gut ausgebauten Fernstraße gewachen. Die Heerstraße ist wegen der neuen Grenzen, der von Russland unterstützten Abspaltungen von Abchasien und Südossetien, die einzige Landverbindung zwischen Georgien und Russland. Dementsprechend ist das Verkehrsaufkommen, LKW-Kolonnen reihen sich an kleinere Touristen-Bussen und PKWs, davon auffallend viele russische Kennzeichen. Wie schon zu Sowjetzeiten wollen die Russ_innen anstatt in den Himmel, lieber nach Georgien. Das Panorama, wenn es gelingt den Asphaltstreifen in der Mitte auszublenden, ist atemberaubend. Steile grüne Wiesen, schroffe Täler, teils schneebedeckte Bergspitzen. Kurz vor den Jvari-Pass bietet eine Aussichtplattform beim georgisch-russischen Freundschafts-Denkmal herrliche Aussichten. Eine aus georgischer Sicht nicht ganz ungetrübte „Freundschaft“. Bei Stepantsminda rückt das Postkarten-Nummer-Eins-Motiv ins Bild: die Gergeti-Dreifaltigkeitskirche, im Hintergrund der Kazbek-Gipfel. Das Gotteshaus ist neugierige Blicke gewohnt und gibt sich daher einsichtig. Nur der zweithöchste Berg des Landes, der Kazbek mit seinen 5.047 Metern, ziert sich hinter den Wolken. Ein kurzes Gewitter später verliert er seine Schüchternheit und zeigt sich in voller Pracht!
Endlich wieder eine Zeltnacht, diesmal steht es inmitten der beiden georgischen Zugpferde: zwischen Kirche und Berg.

Bethäuser, Alltagshürden und eine Untergrundbahn


  1. Tag: Dienstag, 04. Juli 2023

Strecke: Tbilissi

In Tbilissi geben sich das Morgen- und das Abendland die Hände. Die Hauptstadt Georgiens ist eine Kirchenstadt, jede Betausrichtung findet hier ihr zugehöriges Haus. Das Alte trifft auf die Moderne, in der Mitte fließt der Fluss Mtkavari und natürlich hat auch Tbilissis Innenstadt seine Seilbahn. Die beiden Stadtteile verbindet im Stadtzentrum die Friedensbrücke, eine moderne Metall-Glaskonstruktion, die im Volksmund formbedingt „Always Ultra“ heißt. Kartlis Deda die „Mutter Georgiens“ wacht vom Berg aus über die Stadt, vor ihren Füßen breitet sich Tbilissi wie ein Teppich aus. Das Altstadtzentrum darunter ist fest in touristischer Hand, die Einheimischen werden zu Dienstleister_innen dekratiert.
Die gefährlichste, alltägliche Hürde ist die Überquerung der Straßen. Fußgängerübergänge sind spärlich vorhanden, die sicherste Variante für eine Kreuzung sind die Unterführungen. Als Alternativen der Fortbewegung, abgesehen vom eigenen Vierrad, Bussen und Marschrutkas (Sammeltaxi) ist die Tbilisser Metro. Es gibt zwei Linien, die rote Line verläuft in der Nord-Süd-Richtung. Ein Ausflug in den Norden endet in einem von Plattenbauten umringten Einkaufs-Tempel für das nichttouristische Volk.
Im Übrigen, die georgische Schlangenschrift ist selbst nach einer Woche im Land noch immer ein unergründliches Mysterium, nicht ein einziges Schlauferl ist hängen geblieben.

Pleiten, Pech und Kuriositäten am laufenden Band


  1. Tag: Sonntag, 02. Juli 2023

Strecke: Kutaissi – Gelati – Zestaphoni – Katskhi – Chiatura – Gori

Streckenlänge: 213 km (gesamt 4.583 km)

Nicht immer soll dem Reisebuchbegleiter vertraut werden. Das in den Himmel geschriebene Kloster Gelati, nur einen Steinwurf von Kutaissi enfernt wird der Lobschreiberei nicht gerecht, außerdem verschwindet es gerade hinter grobem Gerüst. Als Kuriosum geht das Katskhi-Kloster durch. Das vielleicht kleinste Kloster Georgiens sitzt hoch oben auf einer in die Lüfte ragenden Felssäule. Ein ehemals lasterhafter Mensch hat all den verlockenden Ausschweifungen entsagt und lebt seither als Einsiedlermönch auf diesem Hochstand. Die Verpflegung erfolgt mittels Seilzug.
Nächster Stopp die ehemalige Bergbaustadt Chiatura. Stalin erklärte die Stadt einst zum Arbeiterparadies und schenkte ihr eine Stalin-Friedens-Seilbahn. Der ebenfalls vom Reisebuchbegleiter versprochene Nervenkitzel, bei der Fahrt in einer der museumsreifen Kabinen, fällt ebenfalls aus. Frisch renovierte Gondeln ersetzen die ehemaligen „Stalin-Särge“.
Zwischendurch versteckt sich eine Busstation aus vergangenen Tagen. Endstation ist die Kleinstadt Gori mit seiner bröckelnden Festung und dem meistbesuchten Museum des Landes. In Gori erblickte der Georgier Josef Dschugaschwili das Licht der Welt. Nach Jahren in der Priesterschule und als Gangsterboss wurde er zum Revolutionär und später unter dem Kampfnamen „Stalin“ zum Massenmörder. Vor seinem Museum darf der Diktator noch lässig herumstehen, das andere, über dimensionale Stalin-Denkmal vor dem Rathaus wurde 2010 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entsorgt. Trotzden tragen sowohl der Platz als auch Straße noch seinen Namen. Georgien weiß nicht so Recht umzugehen mit dem missratenen Sohn.
Der Jugend ist der Joseph wurscht, die feiert und trinkt auf einer Dachterrasse in der Altstadt. Ab der erreichten Betriebstemperatur wird auf georgisch zu Gangsta-Beats gerappt.

Bergriese, durch eine bucklige Welt und eine Wohlfühl-Hauptstadt


  1. Tag: Samstag, 01. Juli 2023

Strecke: Ushguli – Kutaissi

Streckenlänge: 281 km (gesamt 4.370 km)

Die meisten Besucher_innen haben Ushguli bereits am Abend verlassen. In den Morgenstunden wirkt das Bergdorf ausgestorben und auch die Sonne ist wieder zurück. Eine heilige Ruhe im Wolkendorf. Beim zeitigen Spaziergang glänzt der schneebedeckte Shkhara mit seinen 5.203 Metern in voller Pracht.
Es beginnt das Abenteuer Rückreise, der gestrige Regen hat die Situation auf der Schlammpiste zusätzlich verschärft.
Inzwischen gehören die Kuhherden auf den Straßen zum Alltag. Zurück in Megrelien ist die große Tierfamilie wieder auf den Fahrspuren versammelt. Auf verschlungenen Wegen geht es durch eine üppig grüne Hügellandschaft. Es zeigen sich erste Weinreben, Georgien gilt als Wiege des Weinanbaus. Ein heftiges Gewitter weiter liegt an den Ausläufern des Großen Kaukasus, am Fluss Rioni, die Hauptstadt Imeretiens. Kutaissi, der ehemals große Konkurrent Tbilissis wurde inzwischen auch von Batumi überholt und ist nunmehr drittgrößte Stadt des Landes. Das befürchtete Chaos bleibt aus: Zerstreuung im Stadtzentrum, ein Erfrischungsgetränk unter der Weißen Brücke über dem Rioni, in einer klapprigen Seilbahngondel hinauf auf den Hausberg der Stadt. Oben dreht sich ein Riesenrad, daneben serviert ein Ausflugslokal wunderbare Hausmannskost.

Ein Schlammpfad, ein Unwetter und ein Bergdorf nahe dem Himmel


  1. Tag: Freitag, 30. Juni 2023

Strecke: Mestia – Ushguli

Streckenlänge: 41 km (gesamt 4.089 km)

Die Kilometerleistung nach Ushguli ist eine klägliche, die Anstrengungen hingegen sind heroisch. Ab Kala wird die Situation haarig, der bucklige Asphalt verschwindet gänzlich und ein Schlammpfad nimmt seinen Lauf: Tiefe Erdlöcher, Bauarbeiten verengen die ohnehin enge Fahrspur, dem nicht genug, kreuzt ein Fluss den Weg. Die letzten zehn Kilometernehmen verschlingen eine volle Stunde. Die Ortstafel lässt aufatmen. Ushguli ist auf 2.200 Metern eines der höchstgelegenen noch bewohnten Bergdörfer Europas/Asiens (eine ewige Streitfrage, ist Georgien noch Europa oder schon Asien), eingerahmt von saftigen grünen Hügeln und schneebedecken Bergspitzen. Die Häuser sind aus Stein und unzählige Wehrtürme stemmen sich in den Himmel. Kühe drängen sich durch die unbefestigten Gassen und hinterlassen ihre Spuren.
Der letze blaue Fleck am Himmel verschwindet, die Wolken werden dichter und dunkler bis ihnen der Kragen platzt. Das Unwetter ist gekommen um zu bleiben. Die Zeit wird mit hervorragenden georgischen Rotwein über die Runden gebracht. An Zeltaufbau ist nicht zu denken und es findet sich ein Guesthouse wo auch gekocht wird. Das Abendessen wird im Familienwohnzimmer serviert. Der Fernseher läuft, die Tochter des Hauses verliert sich in einer Seifenoper, später muss sie sich um die Milch kümmern und der Opa übernimmt das Sofa. Wettermäßig ist keine Besserung in Sicht und so werden schon bald die Augen geschlossen.

Wasserfälle, Berggipfel und Wehrtürme


  1. Tag: Donnerstag, 29. Juni 2023

Strecke: Anaklia – Sugdidi – Mestia

Streckenlänge: 223 km (gesamt 4.048 km)

Von Mingrelien nach Swanetien, vom Meeresniveau in die luftigen Höhen des Großen Kaukasus. Mingrelien die nordwestlichste Region Georgiens gleicht einer großzügig angelegten Schrebergartensiedlung, durchzogen von Straßen und Flüssen, mit eigenem Meerzugang. Swanetien ist spartanischer, weniger Dörfer, weniger Straßen, viel mehr Gegend, umringt von hohen schneebedeckten viertausender Gipfeln. Nach Mestia, der Hauptstadt Swanetiens führt nur eine einzige Straße und selbst diese ist auf Grund ihres Zustandes nicht zügig befahrbar. Unterwegs sorgen Wasserfällle für Erfrischung und angriffslustige Hähne für Aufregung. Mestia ist eine aus mehreren Dörfern zusammengewachsene Kleinstadt, besitzt 42 Wehrtürme und ist Ausgangspunkt vieler Wanderungen und Touren. Das Symbol Swanetiens sind seine Wehrtürme, die seine Bewohner_innen vor Eindringlingen und vor lokalen Fehden schützten. Die Swaneten gelten als sehr wehrhaftes Volk, sogar die Mongolen sollen sich an Ober-Swanetien die Zähne ausgebissen haben, nur der Tourismus hat es inzwischen geschafft die Region zu erobern.
Für morgen ist eine Ausfahrt in das swanetische Bergdord Ushguli geplant, so es die Straße zulässt.