blaues Auto, rotweißrote Straßenbahn, orthodoxe Kirche

Die gute alte Passkontrolle, verbogene Bäume, Druschba!


7. Tag: Montag, 19. Juni

Karte

Strecke: Nida – Rybatschi – Lesnoj – Selenogradsk – Kaliningrad

Streckenlänge: 88 km

Nida besticht durch seine reizvolle Lage, nur der Folklore-Kitsch nervt. Traditionelle bunte Häuschen verscherbeln Souvenir-Gerümpel. Auf einer Parkbank an der Uferpromenade wird mit Bier, Sprudel und Fisch-Snacks der Abschied von Hanka und Honza begangen. Es ist bitter kalt.

Von Nida sind es nur wenige Kilometer bis zur russischen Grenze. Der Oblast Kaliningrad grenzet an Litauen und Polen und ist als russische Exklave räumlich vom Mutterland getrennt. Es folgt – wieder einmal – die gute alte Grenzkontrolle: Stramm stehen, Blick gerade aus. Lachen verboten, mein Gegenüber verzieht keine Mine. Ich setze mein freundlichstes Gesicht auf, hilft genau gar nichts. Ein schleimiges „спасибо“ (Danke) und ich bilde mir ein den Ansatz eines Lächelns zu erkennen. Die einzige, anfangs sehr einsame Straße führt Richtung dem Seebad Selenogradsk. Ein gewohntes Bild, links Bäume, rechts Bäume und auf beiden Seiten vom Blick verborgenes Wasser. Mein Holzbedarf ist übererfüllt! Ein kleiner Abstecher führt zum “Tanzenden Wald“. Am Parkplatz reihen sich Holzbuden, alle mit demselben Bernstein-Klumpert. Außer mir niemand da. Der „Tanzende Wald“ erfüllt die Erwartungen nicht. Ein Holzsteg führt vorbei an verbogenen Bäumen. Von Selenogradsk besteige ich den Bus nach Kaliningrad, um mir die stark befahrene Hauptstraße zu ersparen. Genosse Lenin grüßt im vorbeifahren. Am Busbahnhof gilt es die morgige Busverbindung nach Mamonovo zu erfragen. Aber mit „Only-Englisch“ hat man in Kaliningrad den Schlauch. Mit Händen und Füßen wird auch diese Hürde genommen. Heute wartet wieder einmal ein richtiges Bett, aber zuerst lockt ein Stadtspaziergang. „Druschba“!

Druschba! Zu Besuch bei Genosse Lenin


2. Tag, Samstag 17. September

Strecke: St. Petersburg

St. Petersburg im Schnelldurchlauf. Zu Fuß, den ganzen Tag, von Licht an, bis Licht aus. St. Petersburg ist aufgrund seiner Vielzahl an Prunkbauten UNESCO Weltkulturerbe und es bevölkern fast so viele japanische Tourist_innen wie Locals die Stadt. Der nur 74 km lange Fluss Neva durchquert die Stadt und verzettelt sich in mehreren Kanälen. Die Öffis präsentieren sich wildromantisch, die Metrostationen überdimensional, die Mobiltelefondichte ist bei weitem geringer als zu Hause und für ein Bahnticket (für die morgige Stadtflucht) muss der Reisepass vorgelegt werden. Fürs Rauchen am falschen Platz gibt es eine Ermahnung, dafür glauben die Russ_innen noch an die Ehe in Weiß, Samstag ist Hochzeitstag und die Arm-Reich-Schere sticht ins Auge. Am Nachmittag wird dem Genossen Lenin ein Besuch abgestattet. Den übrigen Touristen ist der ehemalige Revolutionär relativ wurscht, den Einheimischen ebenso. So steht der einstige Held an zwei dezentralen Nebenschauplätzen im Stadtbild herum und harrt der Dinge. Der aktuelle Held der Souvenierstände heißt Vladimir Putin: als Pilot, mit Panzer, mit Bär und immer stark.

1 1/2 Kilo Übergewicht, 5 Millionen Russ_innen und wo Lenin wohnt


1. Tag, Freitag 16. September

Strecke: Wien – St. Petersburg (Flug)

Streckenlänge: 1.575 km Flugzeit: 2 h 30 min

Die Tour entlang des Eisernen Vorhangs geht weiter. Ein wenig mehr als zwei Monate Wien am Stück, das reicht dann auch wieder. Das Reisefieber brennt. Diesmal ist auch meine Liebste mit an Bord. Die beiden „Bobo-Porsche“ (© Reinhold Schachner) sind geschmiert, aufpoliert und bondaged im Bauch des Flugzeugs. Im Vergleich zur letzten Tour hat das Reisegepäck eine Wampe (Bauch) bekommen. Um ganze eineinhalb Kilo zugelegt, das macht die Herbstpanier (wienerisch für wärmere Kleidung). Gelandet auf russischer Erde begrüßt uns nach Abhandeln aller Grenzformalitäten als erstes der Klassenfeind in Form von schlechtem Kaffee: Starbucks. Die ersten Eindrücke im Herzen der Stadt: Gefühlte fünf Millionen Russ_innen, gespürte Kältegrade, ein Geräuschpegel a la Motörhead (R.I.P), ein Mörder-Verkehr und viele Menschen auf der Suche nach ein paar „Kopeken“. Auf die Frage – „Wo Lenin wohnt“ (der zur Säule Erstarrte) – erkundigt sich die Rezeptionistin bei Google. Na dann gute Nacht!