Einsamkeit, Ehrenrettung und auf vier Rädern in die große Stadt


18. Tag, Montag 27. Juni

Strecke: Tran – Stajcovci – Kosovo -Treklyano – Kyustendil – Blagoevgrad

Streckenlänge: 143 km (42 km/Rad).     Fahrzeit: 4 h 35 min (davon 2 h 20 min/Rad)

Nach einer kurzen Wohlfühlstrecke geht es wieder bergauf durch den wilden Balkan. Nicht unfahrbar, aber stetig. Waldlandschaften und einsame, fast verlassene Dörfer auf 40 Kilometer. Zwei Autos, zehn Menschen, keine Jausenstation. Auch keine freilaufenden Hunde. An dieser Stelle eine Richtigstellung zur Ehrenrettung der Straßenhunde. Die wilden Hunde sind meist harmlos, lästig sind die, die glauben etwas verteidigen zu müssen. Kommt uns da nicht was bekannt vor?
Übrigens die Beschilderung hat sich insofern gebessert, dass auch für mich lesbare Schriften vorkommen. Außer Treten bleibt viel Zeit für Selbstgespräche und zum Singen. Mein heutiger Schlager: Die Lassie Singers, „Auf allen Wegen Regen Regen, wir haben nichts dagegen,
Regen macht uns Spaß, er macht uns alle nass“, vielleicht aus einem Wunschgedanken heraus. Und irgendwann kommt das letzte Lied, dann ist der Spaß vorbei und ich suche nach einer Mitfahrgelegenheit. Wenige Autos, wenig Chancen. Erster Versuch, Volltreffer! Keine Teilstrecke, gleich bis Kyustendil. Und weil es sich auf vier Rädern schneller rollt, hab ich gleich noch den Bus nach Blagoevgrad genommen. Als eine der größten Städte Südwestbulgariens ist hier Endstation mit Einsamkeit.

Aufbauphase, neue Probleme und bulgarische Gastfreundschaft


17. Tag, Sonntag 26. Juni

Strecke: Dragoman – Gaber – Krusa – Vrbaca – Tran

Streckenlänge: 43 km      Fahrzeit: 2 h 55 min

Ich hab mich wieder aufs Rad getraut. Neues Land, neuer Elan. Eine kleine Etappe sollte es werden, um den maroden Körper nicht gleich zu überfordern. Es wurde eine Tour durch die Berge, durch teils verlassene Dörfer, auf geschundenen Wegen. Landschaftlich ein Traum. Und dann waren sie wieder da, die Straßenhunde. Ich hab mir ein Stöckchen besorgt, nicht um es zu werfen … Bei der ersten Attacke, hab ich es stecken lassen und bin um mein Leben geradelt. Ein riesen Viech, so etwas hat keine Angst vor Stöckchen.
Eine weitere, neue, Problematik ist aufgetaucht, die Beschilderung. Nicht immer vorhanden, nicht immer lesbar, und wenn, meist nur in kyrillischer Schrift.
Trotzdem hat mir eine, für mich nicht lesbare Tafel, den Weg zu einem Naturschauspiel gewiesen. Purer Zufall. Parkende Autos im Nirgendwo. Hier ein Pfad. Da ein Experiment. Mein Rad und ich tauschten kurzfristig die tragenden Rollen. Und aus dem Nichts, ein Wasserfall. Dort durfte ich zum ersten Mal bulgarische Gastfreundschaft genießen. Ein flussgekühltes Bier und einen Grillspieß. Danke!
Trotzdem werden Busse und Mitfahrgelegenheiten in den kommenden Tagen eine willkommene Alternative bleiben.

Zum Schluß noch ein Nachtrag. Der Sager des vergangenen Tages, von einem deutschsprachigen serbischen Roma, am Busbahnhof von Pirot (SRB): „Zigeuner und Juden sprechen alle Sprachen.“

Beobachtungen an einem radfreien Tag


16. Tag, Samstag 25. Juni

Strecke: Zajecar – Knjazevac – Pirot – Dimitovgrad (SRB) – Dragoman (BG)

Streckenlänge: 185 km (Bus/Zug)

Menschenschlangen vor der Bank.
Jedem Serben sein Herrentascherl zum Umhängen.
Die männlichen Bäuche sind beachtlich und ihre Träger sichtlich stolz darauf.
Der Einkauf wird per Hand, oder auf der Fahrrad-Lenkstange nach Hause transportiert.
Die Straßenhunde sind friedlich und integriert, manchmal fällt ein Happen ab.
Rauchen ist fast überall und jederzeit erlaubt, nur nicht im Bus.
Der Busfahrer hat wenige Zähne, dafür umso mehr Schmäh.
Mir geht es wie dem österreichischen Nationalteam, ich bin außer Form.

Mit dem Bus geht es dreieinhalb Stunden holprig durch das Land. Die Hügel wachsen zu Bergen, Flüsse fließen, Schluchten fallen, ein Wasserfall stürzt, alles sehr romantisch, vom Bus aus! Dimitrovgrad sollte meine heutige Bettstation sein, doch der tägliche Zug nach Dragoman (BG) fährt in einer Stunde. Die meiste Zeit für die 15 Kilometer lange Strecke nehmen die Grenzkontrollen in Anspruch. Serbien, Danke und Baba!

Selbstgespräche & Danke Faltrad


15. Tag, Freitag 24. Juni

Strecke: Kladovo – Korbovo – Milutinovac – Grabovica – Brza Palanka – Negotin – Zajecar (Bus)

Streckenlänge: 80 (Rad-)km      Fahrzeit: 4 h 30 min

(Negotin – Zajecar, 70 km/Bus)

Die letzte Nacht im Hotel Derdap war großartig. Direkt an der Donau gelegen, mit einer ordentlichen Portion Ostblock-Charme ausgestattet, bietet es einen wunderbaren Blick auf den Schdrom, sowie die gegenüberliegende rumänische Industriestadt Drobeta-Turnu Severin. Das heutige Programm: Eine kleine Landpartie sollte es werden. Viele kleine Dörfer, viel Landschaft und immer links, die Donau. Jeden Abend, nach einer Dusche, bei einem Erfrischungsgetränk, möchte ewig weiterreisen. Tags darauf zur Tagesmitte (ich starte täglich um Sieben), wenn die Kräfte Mittagspause machen, würde ich am liebsten im Garten sitzen und dem Schnittlauch beim Wachsen zuschauen.
Die gelbe Sau war wie schon die letzten Tage in Bestform. 35 Plus. Die Hügel aufwärts hab ich dann überrissen, es geht abwärts. Mit mir. Die Oberschenkel ziehen, der Rücken schmerzt, das Sitzfleisch ist mürbe und im Fahrrad hat sich ein Vogelnest versteckt (es zwitschert ständig, soviel ich auch schmiere). Auch der Wind geht immer in Opposition zur Fahrtrichtung. Bis Negotin hab ich gekämpft wie ein Löwe, mich dann umorientiert, mein Brompton zusammengefaltet und es im Bauch des Überlandbusses nach Zajecar verschwinden lassen. Ich glaube es kommt ein neuer Player ins Spiel. Morgen werde ich einen Bus-Tag einlegen.

Himmel und Hölle wohnen dicht nebeneinander


14. Tag, Donnerstag 23. Juni

Strecke: Berzasca – Dubova – Eselnita – Orsova (RUM) – Kladovo (SRB)

Streckenlänge: 100 km      Fahrzeit: 6 h

Immer den Fluss entlang. Vor lauter verliebtem Schauen auf den Schdrom vergesse ich viel zu oft aufs Treten. So bringt man keine Kilometer zusammen. Manchmal bläht er sich auf und macht sich breit, dann wieder zieht er den Bauch ein und präsentiert sich gertenschlank, der Schdrom. Daneben blüht der Wildwuchs, Eidechsen nehmen ein Sonnenbad, Felswände schrauben sich in die Höhe und die Frösche geben den Ton an. Es ist einsam auf der Straße, wenige Dörfer, wenige Autos und weit und breit keine Trink-Tankstelle in Sicht. Diese Idylle (Flüssigkeitszufuhr ausgenommen) ändert sich erst ab Eselnita. Ab Orsova wird es dann unangenehm und die letzten fünfzehn Kilometer Richtung serbisch/rumänischer Grenze werden zum Hindernislauf. Die ursprüngliche Landstraße wird zur LKW-Autobahn und hat alles im Programm was Radfahrer_innen gar nicht brauchen: Einen fast nicht vorhandenen Pannenstreifen, noch dazu teilweise sandig, der Asphalt wirft sich, viele Brücken wo der Pannenstreifern komplett verschwindet, unbeleuchtete Tunnels. Die LKW-Fahrer permanent am Gas. Bremsen? Gibt es nicht. Hupen! Im Sinne von „Schleich dich Depperter“! Meine Sünden hätte ich abgebüßt, wäre ich gläubig. Nach Seitenwechsel (Rumänien/Serbien) kehrt wieder Ruhe ein. Ein harter Arbeitstag zwischen Himmel und Hölle und Kladovo ist meine heutige Oase.

ps: der/die letzte Radtourist_in hat bei Sopron meine Wege gekreuzt.

Alte Bekannte & ewig lockt der „Schdrom“


13. Tag, Mittwoch 22. Juni

Strecke: Bela Crkva (SRB) – Zlatita (RUM) – Socol – Divici – Moldova Veche – Coronini – Berzasca

Streckenlänge: 104 km Fahrzeit: 5 h 50 min

In der Früh war er plötzlich weg, der Bela Crkva See. Der Morgennebel hat ihn verschwinden lassen. Die frisch gewaschene Wäsche war noch da. Dafür feucht.
Mit dem Grenzübergang nach Rumänien ändert sich die Landschaft, sie wird hügeliger, rauer und die Straßen ruppiger. Und auf einmal meldeten sich wieder alte Bekannte. Von der Seite sind sie gekommen, ansatzlos, unerwartet. Straßenhunde. Aggressiv bellend, mir dicht auf den Fersen. Drei Attacken, passiert ist nix. Wahrscheinlich eine willkommene Abwechslung in so einem rumänischen Hundeleben.
Etwas später, auf einmal war er da. Der „Schdrom“. Die Donau, und mit ihr auch die Sonne. Mir geht das Herz auf. Erst weit wie ein See, später schlank und bergig eingerahmt, bildet sie die Grenze zu Serbien. Neun Länder verbindet die Donau auf ihrem Weg ins Schwarze Meer. Ist das nicht ein Zeichen? Ernst Molden singt auf seinem aktuellen Album „Mia san da Schdrom“, verstehen wir es im Sinne von Vereinigung und Zusammenhalt. Jetzt!

Grenzwertige Zäune und ungewollter Patriotismus


9. Tag, Samstag 18.Juni

Strecke: Bezdan – Backi Breg (SRB) – Csátalja (HU) – Gara – Bácsbokod – Bácsalmás – Csikéria – Kelebia (SRB) – Subotica (Karte)

Streckenlänge: 118 km Fahrzeit: 6 h 25 min

DIe Nacht an der Donau, kitschiger Sonnenuntergang inklusive, hat mein Landschaftstrauma vergessen gemacht. Doch während sich die Donau Richtung Novi Sad und Belgrad ihren Weg bahnt, nimmt die Radroute die entgegengesetzte Strecke, wieder nach Ungarn. Obwohl wir alle es wissen, davon gelesen und bewegte Bilder gesehen haben, macht das reale Bild noch einen Zacken betroffener. Der Zaun. Noch 1989 skandierten die Bürger_innen der ehemaligen DDR „die Mauer muss weg“ und verbannten in Folge den „Eisernen Vorhang“ in die Geschichtsbücher. 17 Jahre später muss das vermeintliche Glück wieder geschützt werden. Die gesamte ungarisch/serbische Grenze streckt er sich aus und macht Grenzorte zu Geisterdörfer. So erlebt in Csikéria. Leere Straßen, fast keine Menschen, geschlossene Geschäfte. Gruselig, sogar bei Licht.
Darüber hinaus, Felder bis zum Horizont. Und immer anwesend die „gelbe Sau“. Verantwortlich für meine ungewollt patriotische Einfärbung: Rot (linker Arm), Weiß (Brust/Bauch), Rot (anderer Arm). In diesem Sinne. Geh jetzt Fuassboischaun.

Gute Gewinner, gute Verlierer


Tag 5, Dienstag 14. Juni

Strecke: Bajánsenye – Kerkavala – Lenti – Tótfalu – Letenye – Nagykánizsa (Karte)

Streckenlänge: 81 km      Fahrzeit: 4 h 23 min

Um am Anfang des Tages zu beginnen: Viel Landschaft, viele kleine Nester, wenig zu berichten. Letztendlich haben wir Frühschluss in Nagykánizsa gemacht. Punkt 16 Uhr. Um 18 Uhr waren wir unverabredet verabredet im The Clutch Pub. Ländermatch. Euro. Österreich, Ungarn. Nicht gegen wen, sondern gegeneinander. Der Spielausgang ist bekannt. Als gute Verlierer haben wir das Freibier wohlwollend angenommen. Danke den besseren Gewinnern. Und jetzt zur traurigen Nachricht: Meine Liebste steigt morgen in den Bus und sagt nach fast 500 Kilometern, es reicht und Auf Wiedersehen.

Maria hülf!


Tag 4, Montag 13. Juni

Strecke: Bildein – Szentpéterfa – Moschendorf – Heiligenbrunn – Heiligenkreuz im Lafnitztal – Szentgotthárd – Domanjsevic – Prosenjakovci – Bajánsenye (Karte)

Streckenlänge: 86 km (insges. 917 Höhenmeter)      Fahrzeit: 5 h

Maria von Bildein bitte hülf: Bitte, kein Sauwetter, keine Patschen, keine müden Beine und bitte, bitte einen Schlafplatz (Heute eine Odyssee)! Apropos Bildein. Das Minimal-Dorf liegt auf einer schmalen österreichischen Landzunge mitten in Ungarn und hat maximal viel zu bieten: Einen Grenzerfahrungsweg, ein burgenländisches Geschichte(n) Haus, ein Weinarchiv, ein Wirtshaus, eine Konditorei, eine wunderbare Pension, Uhudler und das großartige Picture-On-Festival. Bildein, ein Tipp! Der Spielverlauf im Länder-Slalom: A – HU – A – HU – SLO – HU. Nach steiguns-und herbergsbedingtem Leidensweg sind wir – Ende gut, Alles gut – in Bajánsenye gelandet. Maria sei Dank.

 

Up And Downs


Tag 3, Sonntag 12. Juni

Strecke: Sopron – Horitschon – Lutzmannsburg – Köszeg – Bucsu – Felsöcsatar – Bildein (Karte)

Streckenlänge: 94 km Fahrzeit: 5 h 18 min

… den ganzen Tag. Anfänglich mit Sprühregen. Ungarn, Österreich, Ungarn, Österreich, wir haben heute mehrfach die Seiten gewechselt. Eines war immer gleich: Up And Down. Das hat jetzt rein gar nichts mit unserer Stimmungslage zu tun, die ist top! Wir haben unzählige Kleinstortschaften durchmessen, den Regen vor uns hergeschoben oder hinter uns gelassen und letztlich im zauberhaften Bildein Obdach gefunden, bevor die Wolken richtig platzten.