Tanzende Fische, grenzüberschreitende Fleißaufgabe und Radpflege zur Primetime


35. Tag: Montag, 17. Juli

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Strecke: Reingers (A) – Kautzen – Slavonice (CZ) – Vratěnín – Uherčice – Bítov

Streckenlänge: 72 km

Das Heimweh verschwindet mitunter mit dem Verstehen der Sprache …
Bei geöffneten Zipp der Zeltpforte fällt mein Blick direkt auf den rundherum bewaldeten Mühlteich. Nichts rührt sich, nur die Fische tanzen. Ein Traum von einem Campingplatz.
Gleich zu Beginn des Tages führen mich die „Iron Curtain Trail“-Wegweiser grenzübergreifend im Kreis und es summiert sich eine Fleißaufgabe von rund 13 Kilometer. Es folgt ein Länder-Ping-Pong bis Slavonice mit einem kurzen Abstecher ins Freiluft-Bunker-Museum. Diese Bunker wurden von der tschechoslowakischen Republik bereits in den Jahren 1935/36 errichtet, als Verteidigungsmaßnahme gegen den drohenden Überfall durch das Deutsche-Reich. Der mittelalterliche Stadtkern von Slavonice ist überfüllt mit Radler_innen, woher auch immer, die meiste Zeit trete ich alleine durch die Felderlandschaft. Die vom Radtourbuch-Begleiter vorgeschlagene Route wird kurzerhand abgeändert und ich biege bei Uherčice ab in das Thaya-Tal. Wie eine Schlange windet sie sich durch die hügelige Landschaft. Bei Bítov ist für heute Endstation. Das Bítov-Camp, direkt an der Thaya, ist zu meiner „großen Freude“ ein Familien-Hotspot. Was soll’s mein treues Brompton-Faltrad gibt beängstigende Geräusche von sich, eine Pflegeeinheit ist unumgänglich.

Abschied, Golf statt Rad und Hanf statt Küche


34. Tag: Sonntag, 16. Juli

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Strecke: Janova Ves – Pohoří na Šumavě – Chlum u Třeboně (CZ) – Haugschlag (A) – Nová Bystřice (CZ) – Reingers (A)

Streckenlänge: 102 km

Alles schläft noch, auch der Hahn des Hauses. Mein Blog hat Verspätung, kein Internetz. Frühstücken im Freien, einmal ohne Regen. Bevor der Abschied naht reiten wir noch einmal durch die tschechische Bergwelt nach Pohoří na Šumavě zur Ruine der Bucherser Kirche. Unsere Zelte dürfen inzwischen trocknen. Wilde Bäche, üppiger Wald, ruppige Wege. Ein letztes Erfrischungsgetränk in Janova Ves. Hanka und Honsa bieten mir noch eine Mitfahrgelegenheit bis Chlum u Třeboně, jetzt heißt es Abschied nehmen. Danke! Bis hoffentlich bald. Chlum u Třeboně nahe Litschau liegt eingebettet in einer Teichlandschaft. Viele Radler_innen, viele Campingplätze, nach so viel Ruhe ist mir der Trubel zu viel. Ich schwinge mich widerwillig auf’s Rad Richtung Österreich. Erster Eindruck in der Heimat, in Tschechien wird Rad gefahren, in Österreich wird Golf gespielt. Nach zwei weiteren Grenzübertritten steht das handliche Haus heute in der Hanf-Gemeinde Reingers direkt am Teich. Alles Hanf, offene Wirthäuser gibt es keine. Kiffen gegen den Hunger? Zwei Kilometer weiter in Leopoldsdorf, kein Hanf-Dorf, dafür eines mit Wirtshaus. Der Spruch des Tages kommt vom Wirten: „Besser ein Bauch vom Essen, als ein Buckel vom Arbeiten!“

Wassermusik, dicht an der österreichischen Grenze und ein Country-Wohnzimmer


33. Tag: Samstag, 15. Juli

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Strecke: Kristanovice – Volary – Nova Pec – Lipno nad Vltavu – Janova Ves

Streckenlänge: 115 km

Ein Wiedersehen vier Wochen nach dem Kennenlernen, freue mich sehr wieder vertraute Gesichter zu sehen. Es gibt viel zu erzählen. Währenddessen wird eine kleine überdachte Bühne aufgebaut. Instrumente angeschleppt, der Sound ausprobiert. Ein Trio – Gitarre, Flöte, Kontrabass – spielt tschechische Traditionals. Zwei Hand voll Menschen sitzen auf abgeschnittenen Baumstümpfen und lauschen. Den Platz hier gibt es erst seit zwei Jahren und ist noch ein Geheimtipp. So soll es auch bleiben, „maximal den besten Freunden weitererzählen“, wird mir verordnet. Nach dem offiziellen Teil beginnt unter der Veranda eine Jam-Session, auch Honsa und seine Ukulele sind mit dabei. Auch wenn ich jeden Tag dasselbe erzähle, es kommt schon wieder sehr viel Wasser vom Himmel. Unsere Zelte haben wir rechtzeitig, im letzten Moment noch aufgebaut. Das bunt zusammengewürfelte Orchester spielt bis in die Nacht. Ein magischer Moment in der Mitte vom Nirgendwo.
Zeitig in der Früh, das Wasser dampft, alles ruhig, nur die Fische springen. Den See, den ich namentlich nicht unbedingt verraten soll, ist mit seinen 700 Metern über dem Meer einer der höchstgelegenen Seen in Tschechien.
Eine Radfahrt entlang des über 40 Kilometer langen Lipno-Stausees fällt ins Wasser. Statt zu Rad die südliche ruhigere Seite, wird mit vier Rädern die nördliche, touristische Seite des Sees befahren und bei Vyssi Brod treffen wir wieder auf den „Iron Curtain Trail“. Unser Weg führt uns bis nach Janova Ves, die österreichische Grenze in Sichtweite. Wir sind wieder in der Einsamkeit der Bergwälder, keine fünf Häuser, dafür eine kleine bewirtschaftete Hütte. Nach einer kleinen Radtour – ich betrete zum ersten Mal nach fünf Wochen wieder kurz österreichischen Boden – checken wir im Wirtshaus ein. In einer Mischung aus Wohnzimmer und Gastraum sitzt eine Gruppe aus Brünn. Wieder gibt es Musik, zwei Gitarren, ein Banjo, drei Stimmen unterhalten mit tschechischem Country. Auf einmal ist die Hütte voll, woher all die Menschen kommen erschließt sich mir nicht. Alle singen, das Bier fließt in Strömen. Die Tschech_innen, so sagt es die Statistik, haben den größten Pro-Kopf-Bierverbrauch – weltweit!

Deutschland baba, ein Banjo am See und Wiedersehen mit Hanka und Honsa


32. Tag: Freitag, 14. Juli

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Strecke: Haidmühle (D) – Stozec (CZ) – Volary – Kristanovice

Streckenlänge: 45 km

Mit heute ist auch Deutschland abgeradelt, es fehlen nur noch zwei Kilometer bis zur tschechischen Grenze. Das kurze Sonnengastspiel ist auch schon wieder vorüber, dafür gibt es ein fast freies Wochenende. Meine tschechischen Freund_innen Honsa und Hanka (siehe Tag 3, kennengelernt am Campingplatz von Kolka) kommen mich besuchen, mit im Gepäck ein Freizeitprogramm fürs Wochenende, extra für mich! Der vereinbarte Treffpunkt entfernt sich von der Vorhang-Route Richtung landeinwärts, nahe Prachatice. Aus dem Nichts schält sich ein See, eingerahmt von Wald mit einer kleinen Imbiss-Bude. Ein Rauschebart sitzt auf einer Bank und spielt sein Banjo. Es ist bitterkalt, ein Feuer in einer alten Tonne vertreibt den Winter im Juli. Sie kommen, ich muss Schluss machen, morgen mehr …

Von Bergziegen, Rad-Bus-Marathons und einem Hund namens Franz Josef


31. Tag: Donnerstag, 13. Juli

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Strecke: Furth im Wald – Lam – Arrach – Arnbruck – Bodenmais – Zwiesel – Grafenau – Freyung – Haidmühle

Streckenlänge: 155 km

In Furth im Wald hat der Campingplatz schon geschlossen, mein Haus samt Bett wird trotzdem aufgebaut.
Heute unerwartetes Kaiserwetter! Trotzdem, keine Mountainbike-Pisten mehr! Für heute ist ein Ruhetag, im Sinne von Bus fahren, eingeplant, frei von radtechnischen Kraftakten. Ganz geht sich das, wie zu erwarten nicht aus. Die Tourismus-Info führt mich in die Tücken des Ost-Bayrischen Busnetzes ein.  Für 100 Kilometer werden drei Busse verschlissen, dazwischen sind aufreibende Radrenn-Einlagen notwendig um den nächsten Anschluss-Bus zu erreichen. Heute erwacht die Bergziege in mir, aber da sind noch so viele, einer reicht. Es wird ein Bus-Rad-Bus-Marathon. Der Nationalpark Bayrischer Wald gleicht einer Modelleisenbahn-Landschaft, die dominierenden Farben sind hellblau-weiß, alles ist bergig, üppig bewaldet, die Kellnerinnen tragen Dirndl und es stehen unzählige „Maibäume“ in der Gegend herum. Versorgungsengpässe gibt es keine, Speis und Trank bis zum Abwinken.
In Haidmühle findet sich eine – ein wenig aus der Zeit gefallene – wunderbare Pension (Café-Pension Scherz). Der Haushund hört auf den Namen Franz Josef, nicht Kaiser, sondern Strauß und die Hausherrin kocht hervorragend. Die tschechische Grenze ist in Sichtweite, mein letzter Abend in Deutschland, ein Erfrischungsgetränk geht noch …

Eigenwillige Unterkunft, die Unform geht in die Verlängerung und eine Bus-Zug-Kombi


30. Tag: Mittwoch, 12. Juli

Strecke: Cheb (CZ) – Mammersreutth (D) – Neualbenreuth – Mähring – Bärnau – Silberhütte – Flossenbürg – Weiden – Schwandorf – Furth im Wald

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Streckenlänge: 155 km

Hab gerade unabsichtlicher Weise ein Zimmer in einem inoffiziellen Puff bezogen. Die Aufschrift „Bar & Pension“, eigentlich ganz eindeutig, hab ich in meinem erledigten Zustand zu wenig berücksichtigt. Wenn der Körper schwächelt, kränkelt auch der Geist. Das Blog-Schreiben an der Bar wird zum Hürdenlauf. Rauf auf’s Zimmer, früh aufstehen, schnell weg!
Ein Tag ohne Aufregungen wäre eine willkommene Abwechslung. Zunächst folgt ein Seitenwechsel zurück auf die bayrische Seite. Die tschechische Grenzzone zu Bayern ist auf einer Breite von drei Kilometern noch immer unbewohnt. Seit zwei Tagen keine Radler_innen mehr gesichtet. Allein strample ich durch die Gegend, finde eine Bäckerei zum Frühstücken, ein Gasthaus für einen Mittags-Imbiss – das reine Wunschprogramm. Haarig wird es ab Bärnau, der anfänglich gut zu befahrbare Waldweg wird zur Mountainbike-Piste, und der aktuelle Status – trocken – wird sich nicht mehr lange halten lassen. In den Bergen auf 900 Meter, nahe der Silberhütte, brechen die Wolken. Nix mehr mit keinen Aufregungen. Meine Unform geht in die Verlängerung und die äußeren Umstände tun ihr Bestes, dass das so bleibt. Um nicht noch weiter in die Bergwelt einzudringen, wird die Route spontan geändert. Nächste Zwischenstation Flossenbürg. Auf Teilen des ehemaligen KZ-Geländes Flossenbürg stehen heute Eigenheimsiedlungen, erst 2006 wurden die verbliebenen Bauten zur Gedenkstelle erklärt. Dauerregen. Auf der Suche nach einer Lösung lande ich im Wirtshaus. Bei einem Erfrischungsgetränk formt sich mit Hilfe der anwesenden Gäste ein neuer Plan: Eine Bus-Zug-Kombination. Voraussichtlich lande ich heute Abend in Furth im Wald. Wasserstopp ist nicht in Sicht!

Radler_innen-Stammtisch, zu viel Wasser und ein schlimmer Tag


29. Tag: Dienstag, 11. Juli

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Strecke: Harra – Hirschberg – Mödlareuth – Dreiländereck – Aš – Cheb

Streckenlänge: 90 km

In der Campingplatz-Kneipe findet ein bunt zusammengesetzter Radler_innen-Stammtisch zusammen: Baden Würthemberg, Niedersachsen, Wien. Wir sitzen erhoben auf einem Hügel, schauen auf das Thüringer Meer und tauschen Heldentaten und Niederlagen aus.
Die fünfte Reisewoche beginnt suboptimal, es schüttet wie aus Kübeln. Nasses Zelt einpacken, die noch nicht trockene Wäsche anziehen, ist eh wurscht. Es folgt die Dörfer-Tour bei geöffneten Schleusen. In dem ehemals geteilten Dorf Mödlareut mit seinem Freilicht-Grenzmuseum ein unerwarteter Wasserstopp, gerade lange genug, um wieder aufzutrocknen bevor der nächste Wolkenbruch wieder den Ursprungszustand herstellt. Die letzten Kilometer vor dem „Dreiländereck“ haben noch einiges zu bieten: ein kurzer selbstverschuldeter Verfahrer und massenweise vertrottelte Wegweiser. An einer einzigen Stange hängen Unmengen von Richtungsanzeigern, die sich gegenseitig widersprechen. Tschechien muss besser werden! Die ersten eineinhalb Stunden trete ich durch fast unberührte Natur. Ich scheuche Rehe, Hasen und bunte Vögel aus ihrer nachmittäglichen Siesta. Die Wege sind vom Regen geschunden und auch sonst schwer befahrbar, endlose Geraden, steinig, sehr viele schiefe Ebenen. Nach einer Ewigkeit das erste verlassene Haus, eine halbe Stunde später die ersten Menschen, dann die erste Stadt. In Cheb ist Schluss, es wird ein Zimmer werden, um alles auftrocknen zu lassen. Der heutige Tag war, um es dezent auszudrücken – weniger gut!

Halbe-Halbe, Schiefergebirge und das Thüringer Meer


28. Tag: Montag, 10. Juli

Strecke: Coburg – Ludwigsstadt – Lehesten – Grumbach – Blankenstein – Harra

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Streckenlänge: 90 km

Statt „Tatort“ gab es gestern „Haxe“ zu später Stunde in einer Coburger Brauerei.
Meine erste Tat in der Früh war der Gang zur Post – Schlüsselrückführung samt Grüße nach Irmelshausen an den Gasthof „Zur Linde“. Der geplante Öffis-Tag geht sich nicht ganz aus, 7 Stunden Fahrzeit und X-Mal umsteigen, das ist zu viel des Guten. So fällt die Wahl auf Halbe-Halbe. Mit der Bahn nach Ludwigsstadt, mit dem Rad über das Schiefergebirge, inklusive allen Disziplinen: Rollen, Treten, Schieben. Diesmal gibt es sogar eine feste, sowie flüssige Mittags-Jause. Die Sonne („Gelbe Sau“) macht heute auf beleidigt und schickt Wolken und Regen, eine Schutzhütte bietet Unterschlupf. Irgendwann am Nachmittag kriegt sie sich wieder ein und schaut doch noch vorbei. Die Landschaft ist traumhaft, die Himmelsstimmungen spektakulär. Nach dem gestrigen Horror-Tag bin ich wieder in herzeigbarer Form. Der heutige Zeltplatz in Harra liegt direkt an der Saale, dem Thüringer Meer. Die vierte Woche ist voll, es fehlen noch um die 1.000 Kilometer bis zum Ziel in Wien und morgen wird Tschechien angesteuert. Das Zelt steht, die Wäsche ist gewaschen und es wartet ein Erfrischungsgetränk.

Ein Hoppala, Felder bis zum Horizont und verloren im Wald


27. Tag: Sonntag, 9. Juli

Strecke: Irmelshausen – Rieth – Heldburg – Streudorf – Rottenbach – Weißenbrunn – Coburg

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Streckenlänge: 113 km

Den nahegelegenen Badesee hab ich gestern ausgelassen, dafür habe ich meinen treuen Begleiter gepflegt.
Mein Brompton schnurrt wieder. Vor lauter Tatendrang hab ich den Zimmerschlüssel mit auf die Reise genommen. Hoppala! Morgen hat der Postfuchs was zu tun. Es geht durch ein Meer von Feldern, zwischendurch von scheinbar unbewohnten Dorf-Inseln unterbrochen. Landschaftlich sehr beeindruckend, die weiten Blicke, nur das Rundherum drückt die Laune: An Verpflegung gar nicht zu denken und von oben permanente Dauerbestrahlung, die „gelbe Sau“ ist in Bestform.
Für heute ist noch einmal ein festes Bett eingeplant, Campingplätze sind keine in Reichweite. Sonntag, 20.15 Uhr, seit Wochen wieder einmal „Tatort“ schauen. So war der Plan. Mein Radtourenbegleiter hat in verhindert, im Grenzgebiet zwischen Bayern und Thüringen lässt er mich zum wiederholten Mal im Stich, mitten in den Bergen, mitten im Wald, keine Markierungen, keine Anhaltspunkte. Zufall und Glück bringen mich wieder auf die richtige Spur. Sowohl unterernährt, wie untererfrischt, als auch überhitzt und einfach ganzheitlich am Sand lande ich in Coburg. Schluss, morgen Pause, morgen Bus!

Ein Rad-Wandertag, Daumen raus und zwei Mal gerettet


26. Tag: Samstag, 8. Juli

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Strecke: Geisa – Tann – Batten – Frankenheim – Fladungen –Weimarschmieden –Henneberg – Irmelshausen

Streckenlänge: 88 km

Der „Point Alpha“ hat uns an einem Tisch zusammengeführt. Roland Schüler aus Gera (ehemals DDR) lebt heute in Hessen. Er ist nach Geisa gekommen das Grenzmuseum zu besuchen, um in den ganzen Wahnsinn noch einmal einzutauchen. Es sind die Geschichten, die diese Reise lebendig machen. Eine davon hat Roland Schüler, geboren an einem 9. November, beigesteuert. Die Tante seiner Frau hatte zu ihrem 50sten Geburtstag geladen, nach Lüneburg nahe Hamburg. Roland Schüler und seine Frau hatten schon alle Ausreisepapiere, ihre Kinder mussten in Gera „als Pfand“ zurückbleiben. Im Pass war eine Fahrt mit der Bahn eingetragen, aber Roland wollte mit seinem Trabi fahren, auf den er zehn Jahre gewartet hat. „Das System lag schon in den letzten Zügen, viele DDR-Bürger verließen über die CSSR das Land, ich wollte ja wieder zurückkommen, so bin ich über die Tschechoslowakei (CSSR) gefahren, den Kofferraum voll Benzin, weil so ein Trabi-Tank nur 25 Liter fasst. Wenn ich mir das heute überlege, wir waren eine fahrende Bombe!“ Am 9. November 1989 in der Früh ist er losgefahren, da war noch keine Rede von Maueröffnung, die hat er Stunden später, schon im Westen, aus dem Autoradio mitbekommen. „Was soll ich sagen, ich konnte es nicht glauben!“
Die ersten Kilometer entlang der Ulster waren eine wahre Freude, bis Batten, dann begann ein Radwandertag mit dem Ziel Frankenheim, auf 750 Meter, der höchstgelegene Ort Thüringens. Eine knappe Stunde schieben reicht, bei der einzigen zu querenden Landesstraße war Schluss – Daumen raus! Eine Frankenbergerin hat sich meiner erbarmt. Erste Rettung. Kurzes Glück. Nächstes Problem war die Versorgungslage, flüssig sowie fest. Das Wirtshaus in der Kleinstadt Fladungen hat dicht gemacht, das Kiosk macht gerade Urlaub. Weiter geht die Reise. In Weimarschmieden, inzwischen bin ich schon in Bayern dicht an der ehemaligen Grenze, einem Ort wo sich Fuchs und Henne „Gute Nacht sagen“, erscheint aus dem Nichts das Gasthaus „Zur Weimarschmiede“. Claudia Amrhein-Honndorf ist vor 15 Jahren hierhergezogen – „Das Haus hat mit mir gesprochen“ – und betreibt seitdem ein Gasthaus mit Gästezimmern. Frische, flexible, hausgemachte Küche – großartig! Zweite Rettung.
Der restliche Weg zum Ziel, mehr Pflicht als Kür, führt durch die Pampa bis Irmelshausen. Unterwegs Dörfer mit klingenden Namen wie Henneberg oder Einödhausen. Schluss jetzt, mein Rad krächzt nach einer Wartung.