Zieleinfahrt im Bus, Kulturhauptstadt 2020 und ein ordentliches «Dinner»


14. Tag: Samstag, 27. Juli

Strecke: Ballyconneely – Roundstone – Galway (Bus)

Streckenlänge: 92 Kilometer

Duften geht anders, es wird Zeit für die Zivilisation samt Bett und Dusche. Noch ein Breakfast-Tee am White Strand (siehe Foto: Blick von der Zelt-Haustür aus) und weiter den letzten Weg in Richtung Galway. In Galway ist dann Schluss mit Radfahren. Leider geht sich eine ordentliche Zieleinfahrt nicht mehr aus, in Roundstone reißt der Gepäcksträger-Gummi. Ein Transportmittel-Wechsel wird notwendig. Das Finish erledigt «Bus Eireean», eine wunderbare Buslinie. Eine Schande, der schönste Tag, nur Schäfchenwolken am Himmel und «i sitz im Bus»!
Der Plan wäre gewesen, ein kuscheliges Bett, eine Dusche, ein ausuferndes Abendmahl in Galway. Gekommen ist es anders: In Galway findet gerade das «Galway International Arts Festival» statt, alle Betten ausgebucht. Die Williams Street im (Klein-)Stadtzentrum ist ein einziges Geschiebe. Galway probt die «Kulturhauptstadt 2020». Die letzten Zimmer, auch die einfachsten, die noch zu haben sind, bewegen sich in einer Preisklasse von 100 Euro aufwärts. Ein «blader» Halsabschneider will für sein Sofa im allgemeinen Frühstücksraum 30 Euro ohne Alles. Auf wienerisch wäre die Antwort: «G.. s…….!» Verhungern kann man, erstinken nicht, also doch noch eine Nacht im mobilen Wohnheim. Auf das ausufernde «Dinner» wird aber nicht verzichtet und die Körpergpflege wird morgen nachgehholt, in Dublin ist das Zimmer fix gebucht!

Üppige Vielfalt, bis in die letzten Winkel und ein Ausflug in den Himmel


13. Tag: Freitag, 26. Juli

Strecke: Louisburgh – Leenaun – Tully Cross – Cleggan – Clifden – Ballyconneely

Streckenlänge: 101 Kilometer

Üppige Vielfalt, bis in die letzten Winkel und ein Ausflug in den Himmel

Es wäre so schön gewesen, hätte das Gewitter bis nach dem Zeltaufbau gewartet!
Die vorletzte Etappe beginnt vielversprechend. Sonne und Regen in der Dauerschleife, Regenbogen am laufenden Band, bis in Folge die Wolken das Schauspiel gegen die Sonne für sich entscheiden. Es schüttet als gäbe es kein morgen! Obwohl, die Strecke ist an Schönheit und Vielfalt nicht zu überbieten. Den Übergang der Provinz Connacht in die Region Connemara hat alles zu bieten: Almlandschaften zu ebener Erde, Bergwelten rundherum, rauhe Täler, tiefliegende Seen, verwunschene Wälder, Moorgebiete, unzählige Wasserfälle, … Nicht einmal das Wetter kann den Reiz der Umgebung schmälern. Auf allen Wegen allein auf weiter Flur, abgesehen von den Wollviechern. Ein einziger Menschenauflauf aus dem Nichts kurz vor Leenaun – der freitägliche Kirchgang!
Am späteren Nachmittag klärt sich der Himmel. Eigentlich wäre es ein Katzensprung nach Clifden der inoffiziellen Hauptstadt von Connemara, aber der «Wild-Atlantik-Way» fährt jeden Winkel der Insel aus und hat immer Überraschungen auf Lager. 3 Kilometer vor Clifden empfiehlt er einen Abstecher auf den «Sky-Road-Loop». Aus 3 Kilometern werden 15, rauf in die Höhe, rauf in den Himmel! Der Ausblick auf die Inselwelten ist «loveley», aber wird der Strapaze nicht gerecht!
Ausschnaufen bei einem Guinnes in Clifden und noch ein Stück weiter nach Ballyconneely. Das Haus steht diesmal am White Strand, Atlantik-Blick inklusive. Die letzte Zeltnacht, morgen wartet wieder ein gemachtes Bett.

Ein gestörtes Verhältnis, ein Greenway und ein Pilger-Berg


12. Tag: Donnerstag, 25. Juli

Strecke: Kildavnet Castle (Achill Island) – Mallaranny – Newport – Westport – Louisburgh

Streckenlänge: 76 Kilometer

Am angedachten Schlafplatz beim Kildavnet Castle grasen die Schafe. Schafe sind in Irland heilig und dürfen Alles – innerhalb und außerhalb der Zäune. Schafe vor der Burgruine, Schafe am Friedhof, Schafe auf der Straße, … Auch mein Platzerl ganz in der Nähe muss erst vom Mist der Mistviecher befreit werden. Mein Verhältnis zu Schafen ist im Moment etwas gestört!
Die Pattens Bar ist bestens gefüllt, lauter schon etwas angegraute Ladys und eine Hand voll ebensolcher Gentlemen. Grund für diesen Auflauf ist ein Kartenabend wie jeden Mittwoch. Die Liebste fragt: «Der Pub oder das Pub?» Egal, Hauptsache ein Pub!
Im Zelt sitzen und warten bis das Unwetter vergeht. Haushaltsarbeiten vertreiben die Zeit dabei. Die Insel-Rundfahrt wird auf Grund der Wetterlage abgesagt, es geht von der kleinen zurück auf die große Insel. Die Region von Achill Island bis nach Westport ist ein Radler_innen-Hot-Spot, ein idyllischer «Greenway» durch die Botanik ohne Abgase. Regen, Wolken und Sonne liefern sich ein spannendes Match. Die Landschaft hat den rauen Alm-Charakter verloren und wird wieder hügeliger. Menschen und Häuser sind zurückgekehrt und auch die internationalen Besucher_innen. Von Westport bis zum heutigem Nachtlager begleitet mich linker Hand der «heilige Berg» der Insel, der Croagh Patrick. Die nicht einmal 800 Meter hohe Kegelpyramide ist der «Jakobsweg» der Ir_innen. In Louisburgh drängt sich unerwartet eine Bettenstation auf – bremsen, absteigen und Rad-Aus!

Kleine Mistviecher, eine Alm zu ebener Erde und die ewige Schlafplatzsuche


11. Tag: Mittwoch, 24. Juli

Strecke: Benwee Head – Carrowteige – Bangor – Mallaranny – Kildavnet Castle (Achill Island)

Streckenlänge: 84 Kilometer

Am Schlafplatz wartet eine Legion von Schaf-Mücken auf ihr einziges Opfer. Winzig klein, sehr lästig und beißen tun sie auch!
Am Morgen verschwindet der Benwee Head im dichten Nebel und die «Irish-Breakfast-News» berichten vom neuen britischer Premier Boris Johnson. Eine Plaudertasche ohne klare Line für das (nord)irische Grenzproblem.
Kein Tag für Poeten, die Wetterlage trägt ihren Teil dazu bei. Richtung Süden ist das einzige Ziel, noch fehlt der Plan. Der Rundumblick, es schaut aus wie auf der Alm im November, nur die fehlenden Höhenmeter passen nicht ins Bild. In Bangor findet sich unverabredet ein Radler-Stammtisch zusammen, es wird fachgesimpelt und die Routen verglichen. Nach einem Guinnes ist der Spuk wieder vorüber. Radfahrer_innen sind nicht viele unterwegs, aber wenn, dann nehmen sie die Süd-Nord-Verbindung und nicht umgekehrt. Wer nicht planen will, muss fühlen! Der Wind will partout nicht gegen Süden blasen. Das Stimmungsbarometer ist im fallen, ein harter Arbeitstag! Über die Corraun Halbinsel rollen die Räder in Richtung Achill Island. Der Zeltplatz steht noch nicht fest, der Empfang auf der Insel entspricht nicht meinem Geschmack, zu viele Menschen. Lieber noch ein Stückerl weiter, weiter südlich gibt es ein Castle, wahrscheinlich eine Ruine und hoffentlich auch Ruhe!

ps: das Foto entspricht nicht der realen Wetterlage, ein einziges kurzes Sonnenfenster und schnell den Auslöser gedrückt!

Tiefpunkt, Gegenwind und ein Traum von Killala


9. Tag: Montag, 22. Juli

Strecke: Sligo – Aughris Head – Easky – Inishcrone – Ballina – Killala

Streckenlänge: 93 Kilometer

In Sligo ist die Stimmung am Tiefpunkt. Auch das trockene Bett mit Frühstück passen zur allgemeinen Lage. Es kann nur besser werden!
Ein stark befahrener Highway führt raus aus der Stadt, anfangen tut’s nicht gut, erst die «Coast Road» bringt Entspannung. «Hügerl aufi, Hügerl obi», auf beiden Seiten das gewohnte Bild – Steinmauer rechts, Steinmauer links, dahinter jeweils eine saftige Wiese, auf den Wiesen entspannen sich Schafe oder Rindsviecher. Was auffällt kein Rindsviech trägt noch seine Hörner! Der Atlantik-Weg Richtung Süden verspricht einige Höhepunkte: Aughris Head (ein Strand mit Pub), Easky Beach (ein Stand mit verfallenem Turm), Inishcrone (ein Stand mit Dünen). Viel Tamtam um wenig. Was noch nicht erwähnt wurde, der Wind bläst immer in Opposition zur Fahrtrichtung. Auch schon die letzten Tage hat er aufgezeigt, aber heute ist kein Weiterkommen. Sogar bergab, ohne treten ist wie Stillstand. Auf der positiven Seite steht heute das Wetter, Sonne und Wolken in Rotation. Der Gegenwind raubt alle Reserven. Ein neuerlich vorzeitiger Tour-Abbruch steht bevor. Inishcrone bietet sich an, Blinker raus, ein Lokalaugenschein: Sand soweit das Auge reicht, kein Pub, dafür ein Golfplatz mitten in den Dünen. Nur noch die Nasenspitze tut nicht weh – Trotzdem, das geht gar nicht! – rauf auf’s Rad und weiter. Gute Entscheidung, alles dreht sich, alles bewegt sich! Ein wunderbarer Pub (Keanes Pub) zuvor Ballina hebt die Stimmung. Ende gut, alles gut, das Tagesziel Killala ist ein Traum! 1798 sind die Franzosen in Killala an Land gegangen um gemeinsam mit den Iren gegen die Engländer zu kämpfen. Der Ausgang ist bekannt, die Republik Irland wurde erst 1921 unabhängig. Jedenfalls, Kallila ist ein Hit, der ins Auge gefasste Schlafplatz am „Quay“, das lokale Pub John Lynn & Sons und überhaupt, die Ortschaft an sich. Als Belohnung gibt es heute ein Fläschchen «Lustigmacher» zu den Packerl-Nudeln!

Ein Korb für die Rolling Stones, unerfüllte Versprechungen und Regen auf allen Wegen


8. Tag: Sonntag, 21. Juli

Strecke: Kilbarron Castle/The Ross – Ballyshannon – Mullaghmore Head – Sligo

Streckenlänge: 63 Kilometer

Ein maximales Handicap, um in der allgegenwärtigen Golfsprache zu bleiben, ist der Zeltaufbau bei maximaler Windstärke. Es war ein hart erkämpfter Zittersieg in der Verlängerung!
Der heutige Tag ist schnell abgehandelt, ein Gaskocher-Instant-Kaffee mit Castel-Blick ist sich noch ausgegangen, kurz später ab Ballyshannon ist «ER» gekommen und den ganzen Tag geblieben. Nebenbei, Ballyshannon bezeichnet sich als älteste Stadt Irlands, der Held der Stadt ist Rory Gallagher (1948 – 1995). Herr Gallagher, ein Blues-Prediger, hat bei vollem Bewusstsein Bands wie Cream, den Rolling Stones oder Depp Purple einen Korb gegeben, als diese ihm einen Gitarristen-Job in Aussicht stellten.
Einen Abstecher zum Mullaghmore Head verspricht eine Bilderbuchkulisse – ein unvergessliches Küstenpanorama, das Classiebawn Castle und einen Traumblick auf den Ben Bulben. Der Tafelberg Ben Bulben ist das irische Pendant zum australischen Ayers Rock, nur grün anstatt rot. Alle Versprechungen fallen ins Wasser und der Tafelberg versteckt sich in dichten Nebelwolken. Die neue Regenhaut für meine Bike-Tasche ist zwar überdimensional, dafür zweckerfüllend. Die Hoffnung auf einen versöhnlichen Tagesausgang schwinden von Kilometer zu Kilometer, in Sligo wird die Tour dann endgültig abgebrochen und ein Bett mit Frühstück gebucht!

ps: aus Ermangelung sonstiger Alternativen: Fish’n’Chips à la Sligo.

Ein unauffälliger Grenzwechsel, ein Lied im Ohr und schlafen neben dem Castle


7. Tag: Samstag, 20. Juli

Strecke: Derry (NIR) – Convoy (IRL) – Ballybofey – Donegal – Rossnowlagh – Kilbarron Castle

Streckenlänge: 97 Kilometer

Neuer Tag neue Aufregungen, meine Schuhe sind nach Tagen zum ersten Mal wieder trocken, dafür hat sich die Regenhaut meiner Gepäckstasche in Luft aufgelöst, bei der lokalen Wetterlage eine mittlere Tragödie. Die Abfahrt verzögert sich, zuerst muss ein neuer Wetterschutz her. Gesucht, gefunden!
Die Stadtausfahrt von Derry ist ein Traum, ein Radweg führt entlang des River Foyle raus aus der Stadt und mündet in einer wenig befahrenen Nebenstraße. Das Ziel ist der «Wild-Atlantik-Way» an der Westküste. Der Grenzübertritt von Nordirland in die Republik Irland ist nicht wahrnehmbar, keine Tafeln, keine Flaggen, keine Markierungen, einfach nix. Wie schaut dann eine harte Grenze nach dem Brexit aus? Mit den Gedanken bei U2 («Sunday Bloody Sunday») und John Lennon («The Luck of the Irish»), im Ohr klingt Paul McCartneys «Give Irland back to the Irish»!
Einziger Unterschied, die Entfernungsangaben sind nicht mehr in Miles, sondern in Kilometer angeschrieben. Und, alle Wegbeschreibungen sind zweisprachig ausgeschildert, in Englisch und in Irisch-Gälisch.
Die idyllische Landstraße führt durch hügeliges Grünland. Saftige eingezäunte Wiesen soweit das Auge reicht und Schafe, Schafe, Schafe. Leider mündet jede kleine Straße irgendwann in einer großen. Keine Lust auf Verkehrsstress, dann lieber eine Kurzstrecke mit dem Bus nach Donegal. Durch Donegal fließt der River Eske, es gibt ein Donegal Castle und in der Stadtkirche gegenüber wird gerade geheiratet. Nach dem Ja-Wort, die Braut zum Bräutigam (O-Ton): «And now we have a drink!»
Jetzt wartet der «Wild-Atlantic-Way», kurzzeitig noch auf der Hauptstraße, später auf verschlungenen Wegen. Ein Teil des «EuroVelo 1», der Atlantikküsten-Route, führt durch Irland. Die erste Küstenbekanntschaft ist der Rossnowlagh Beach, ein elendslanger Sandstrand, wo Besucher_innen ihre Automobile parken und Sufer_innen auf die perfekte Welle warten. Es kann nur besser werden. Das Problem Schlafplatzsuche hat sich nicht entschärft, das viele Grün und alles eingezäunt. Letztendlich war doch noch ein Platzerl frei, direkt neben dem Kilbarron Castle, oder besser gesagt, dem was von ihm noch übrig ist (siehe Bildhintergrund).